Project Description

OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2017 – 24 U 150/16 – „Unwirksamkeit einer Schriftformheilungsklausel auch zwischen den Vertragsparteien


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.01.2014 – XII ZR 68/10 – NJW 2014, 1087 entschieden, dass eine so genannte mietvertragliche Schriftformheilungsklausel den Grundstückserwerber nicht hindert, einen Mietvertrag, in den er nach § 566 Abs. 1 BGB eingetreten ist, unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen, ohne zuvor von dem Mieter eine Heilung des Mangels verlangt zu haben. Mit weiterem Urteil vom 30.04.2014 – XII ZR 146/12 – NJW 2014, 2102 entschied der Bundesgerichtshof, ein Nießbrauchsberechtigter handele nicht treuwidrig, wenn er trotz einer formularvertraglichen Schriftformheilungsklausel einen Mietvertrag, in den er gemäß §§ 566 Abs. 1, 567 S. 1 BGB eingetreten ist, unter Berufung auf einen Schriftformmangel kündigt. Seit diesen Entscheidungen ist allerdings strittig, ob eine Schriftformheilungsklausel zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien wirksam ist. Mit dieser Frage befasste sich das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 25.04.2017 – 24 U 150/16 und vertrat die Auffassung, dass eine Schriftformheilungsklausel auch im Rechtsverhältnis zwischen den ursprünglichen Mietvertragsparteien unwirksam ist. Nach der auch meiner Meinung nach zutreffenden Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist eine Schriftformheilungsklausel in einem Formularmietvertrag nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn sie ihrem Wortlaut nach auch den Grundstückserwerber verpflichtet, an der Nachholung der Schriftform mitzuwirken. Eine geltungserhaltende Reduktion (mit der Folge, dass die ursprünglichen Vertragsparteien an die Schriftformheilungsklausel gebunden wären) ist bei einer nicht zwischen den ursprünglichen Mietparteien und dem Erwerber differenzierenden Klausel ausgeschlossen.

Zwischen den Parteien besteht ein Gewerbemietvertrag, der für die Dauer von 10 Jahren bis 31.12.2017 geschlossen ist. Vereinbart war eine Monatsmiete von EUR 2.100,00 zuzüglich Betriebskosten. Der Vermieter bat die Mieter mit Schreiben vom 27.12.2012, ab dem 01.04.2013 die Mietzinszahlungen auf EUR 2.263,60 monatlich zuzüglich Betriebskosten zu erhöhen. Die Mieter zahlten die erhöhte Miete ab dem 01.04.2013. Mit Schreiben vom 12.02.2014 kündigten die Mieter das Mietverhältnis ordentlich zum 30.09.2014 mit der Begründung, durch die konkludent vereinbarte Erhöhung der Miete leide der Mietvertrag an einem Schriftformmangel mit der Folge, dass er ordentlich kündbar sei. Der Vermieter wendet erfolglos ein, dass der Mietvertrag eine so genannte Schriftformheilungsklausel enthält, die folgenden Wortlaut hat:

„Sollte dieser Vertrag oder seine Nebenabreden ganz oder teilweise nicht der Schriftform des § 550 BGB genügen, so kann keine Partei das vorzeitige Kündigungsrecht des § 550 S. 2 BGB geltend machen. Beide Parteien verpflichten sich in diesem Fall, alles Notwendige zu tun, um die Schriftform herbeizuführen. Das gleiche gilt für Ergänzungen und Nachträge.“

Das Oberlandesgericht Düsseldorf geht zutreffend davon aus, dass diese Schriftformheilungsklausel der ordentlichen Kündigung nicht entgegensteht. Die Vorschrift des § 542 Abs. 2 Nr. 1 BGB, demzufolge Mietverhältnisse, die wie hier auf bestimmte Zeit eingegangen werden, grundsätzlich nicht ordentlich kündbar sind, steht der von den Mietern ausgesprochenen ordentlichen Kündigung nicht entgegen. Denn diese Unkündbarkeit greift nicht in den Fällen der §§ 550 S. 1, 578 BGB, wenn wegen eines Formmangels des befristeten Mietvertrags dieser vom Gesetz als unbefristet fingiert und damit den Parteien die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung eröffnet wird. So liegt der Fall hier, denn die Parteien haben den im Gewerbemietvertrag vereinbarten Mietzins nachträglich durch schlüssige Vereinbarung abgeändert, ohne dass dies schriftlich in einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde fixiert worden wäre (so BGH, Urteile vom 17.06.2015 – XII ZR 98/13, Rn. 30 und vom 30.04.2014 – XII ZR 146/12, Rn. 23). Zwar dient die Regelung des  § 550 BGB in erster Linie dem Schutz des Immobilienerwerbers, der in die Lage versetzt werden soll, sich anhand des schriftlichen Mietvertrages über den Umfang und den Inhalt eines nach § 566 BGB auf ihn übergehenden Mietverhältnisses zu unterrichten. Darüber hinaus hat die Bestimmung aber auch Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion im Verhältnis der Mietparteien untereinander und soll insbesondere die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherstellen (BGH, Urteile vom 24.09.1997 – XII ZR 234/95 und vom 05.02.2014 – XII ZR 65/13, Rn. 22). Daher gehören zu den in die Vertragsurkunde aufzunehmenden Vereinbarungen jedenfalls alle Essentialia wie Parteien des Mietvertrags, Mietgegenstand, Miethöhe und Dauer des Mietvertrags (BGH, Urteil vom 24.07.2013 – XII ZR 104/12, Rn. 21). Die Änderung der Miethöhe unterfällt dem Formzwang des § 550 S. 1 BGB jedenfalls dann, soweit sie so wie hier für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann (BGH, Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114/14, Rn. 17). Vorliegend ist die geänderte Miethöhe von den Parteien nicht schriftlich festgehalten worden, so dass die konkludente Vereinbarung über die Erhöhung der Miete die gesetzliche Schriftform nicht wahrt. Anders wäre der Sachverhalt zu beurteilen gewesen, wenn der Vermieter durch Ausübung eines mietvertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechtes die Miete erhöht hätte. Ein derartiges Leistungsbestimmungsrecht war dem Vermieter im Mietvertrag aber nicht eingeräumt worden.

Die vorzeitige ordentliche Kündigung war auch nicht deshalb unwirksam, weil die Mieter zur Nachholung der Schriftform verpflichtet gewesen wären. Eine solche Pflicht ergibt sich nicht aus der im Mietvertrag vereinbarten Schriftformheilungsklausel. Danach wäre eine Berufung auf den Schriftformmangel ausgeschlossen, wenn sich die Parteien wirksam zur Heilung des Formmangels verpflichtet hätten und der Partei, die den Mangel geltend machen will, zunächst abverlangt werden kann, sich um dessen Heilung zu bemühen. Ob dies für die originären Vertragsparteien so ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der Bundesgerichtshof hat mangels Entscheidungsrelevanz bislang ausdrücklich dahinstehen lassen, ob eine Schriftformheilungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen den originären Vertragsparteien insgesamt unwirksam ist. Einigkeit besteht nach den bereits zitierten beiden Urteilen des Bundesgerichtshofs jedenfalls darüber, dass der Erwerber eines Mietgrundstücks durch eine Schriftformheilungsklausel nicht gebunden werden kann und damit seine Kündigung nicht treuwidrig ist, weil gerade er durch die Kündigungsmöglichkeit des § 550 BGB geschützt werden soll. Die Frage, welche Wirkung eine Schriftformheilungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien entfaltet, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Die überwiegende Auffassung hält Schriftformheilungsklauseln grundsätzlich für wirksam (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.02.2015 – 2 U 144/14; OLG Hamm, Urteil vom 26.04.2013 – I-30 O 82/12; OLG Naumburg, NJW 2012, 3587; OLG Koblenz NZM 2013, 767; OLG Köln, Urteil vom 23.09.2005 – 1 U 43/0; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts-und Wohnraummiete, § 550 Rn. 1792 f.), weil sie die ursprünglichen Vertragsparteien nicht per se unangemessen benachteilige. Denn diese hätten bei Abschluss des Mietvertrags ein gleichberechtigtes Interesse daran gehabt, den Vertrag entsprechend der schriftlichen Vereinbarung zu befristen und an dieser Befristung unabhängig von etwaigen Schriftformverstößen festzuhalten. Demgegenüber hält das OLG Rostock (Urteil vom 10.07.2008 – 3 U 108/07) Schriftformheilungsklauseln stets für unwirksam, während andere dies jedenfalls bei formularmäßiger Vereinbarung annehmen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2012 – I-10 U 34/12; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 550 Rn. 91; Streyl, NZM 2015, 28, 29). Dies wird damit begründet, dass § 550 BGB zwingendes Recht darstellt, welches nicht zur Disposition der Parteien steht und von dem aus Gründen von Treu und Glauben nur in krassen Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Das Oberlandesgericht Düsseldorf folgt letzterer Ansicht, weil aus Sicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf mehrere Gründe gegen die Wirksamkeit der von einem Vermieter vorformulierten Klausel sprechen. Schriftformheilungsklauseln, die auch den Erwerber verpflichten, verstoßen gegen den Schutzzweck des § 550 BGB und sind deswegen gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. § 550 BGB will in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt (§ 566 Abs. 1 BGB), dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen kann. Dazu ist erforderlich, dass sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Fehlt es hieran, wird zwar die Wirksamkeit des Vertragsschlusses nicht tangiert. Der Schriftformverstoß hat aber nach § 550 S. 2 BGB zur Folge, dass der Vertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Damit soll sichergestellt werden, dass der Erwerber, dem die notwendige Kenntnis von den wesentlichen Vertragsbedingungen nicht aus der Vertragsurkunde vermittelt wird, sich vorzeitig aus dem Vertrag lösen kann und hieran nicht länger als ein Jahr gebunden ist. Hierzu in Widerspruch steht eine Heilungsklausel, die den Erwerber entgegen dem Regelungszweck des Gesetzes zwingt, an der Nachholung der Schriftform mitzuwirken. Sie führt zu einer von ihrem Schutzzweck nicht gedeckten faktischen Bindung des Erwerbers an die wegen des Formmangels nicht wirksam vereinbarte Laufzeit des Vertrages. Denn dieser könnte sich, solange der Mieter seine Mitwirkung an der Nachholung der Form nicht verweigert, nicht durch ordentliche Kündigung aus der langfristigen Bindung lösen. Das ist mit dem Schutzzweck des § 550 BGB nicht zu vereinbaren. Hierin liegt zugleich eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 2 S. 1 BGB, die zur Unwirksamkeit der Heilungsklausel insgesamt führt. Eine geltungserhaltende Reduktion ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf bei einer wie hier nicht zwischen den ursprünglichen Mietparteien und dem Erwerber differenzierenden Klausel ausgeschlossen (so schon OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2012 – I-10 U 34/12). Selbst wenn sich die Klausel aber auf die Regelung des Verhältnisses der ursprünglichen Vertragsparteien beschränken ließe, bliebe nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu beanstanden, dass dem Vertragsgegner des Verwenders die Berufung auf das vorzeitige Kündigungsrecht einschränkungslos verwehrt wird. Von ihm kann allenfalls verlangt werden, dass er bereitwillig an der Heilung des Formmangels mitwirkt und bis dahin von einer ordentlichen Kündigung absieht. Scheitert der Versuch der Behebung des Formmangels jedoch, etwa weil die Parteien sich nicht auf eine formwirksame Regelung einigen oder der andere Teil bei der Gelegenheit weitere Vertragsänderungen durchzusetzen versucht, muss es ihm nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf freistehen, ordentlich zu kündigen. Andernfalls werde er unangemessen benachteiligt, da die nicht dispositive Vorschrift des § 550 BGB sonst vollends ausgehebelt würde. Eine derartige Einschränkung sieht die mietvertragliche Schriftformheilungsklausel aber nicht vor, die eine vorzeitige Kündigung ohne Wenn und Aber untersagt. Auch das führt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Unwirksamkeit der Klausel, wobei ich allerdings erhebliche Zweifel habe, ob diese Argumentation des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom Bundesgerichtshof geteilt würde. Allerdings handelt es sich insoweit lediglich um eine Hilfserwägung, auf der das Urteil nicht beruht. Entscheidend ist die wohl Zustimmung verdienende Rechtsansicht, dass eine Schriftformheilungsklausel, die auch einen Erwerber binden soll, wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion auch im Rechtsverhältnis zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien unwirksam ist.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf führt schließlich aus, dass durch die Geltendmachung des Formmangels auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen wird. Wenn man sich einmal die Urteile des Bundesgerichtshofs zu Schriftformmängeln ansieht, wird man feststellen, dass der Bundesgerichtshof fast immer die Frage behandelt, ob die Geltendmachung des Formmangels treuwidrig ist. Es gibt aber bislang noch keine einzige Entscheidung, in der der Bundesgerichtshof eine auf einen Schriftformmangel gestützte Kündigung wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben als unwirksam angesehen hat. Auch in dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Fall war die Kündigung nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unzulässig. Treuwidrig ist eine vorzeitige Kündigung insbesondere dann, wenn die Vertragsänderung zu Gunsten des Vertragspartners wirkte, der sich auf die Nichteinhaltung des § 550 BGB beruft (Schmidt-Futterer, BGB, § 550 Rn. 66). Das ist jedoch hier nicht der Fall, da die formlose Mieterhöhung allein den Vermieter begünstigte.