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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.12.2024 – 8 AZR 370/20 – „Überstundenzuschläge bei Teilzeitbeschäftigten entgegen dem Tarifvertrag?“
Das Bundesarbeitsgericht hat in einer sehr weitreichenden Entscheidung über die Frage entschieden, ob eine teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin auch dann Überstundenzuschläge verlangen kann, wenn sie weniger als eine Vollzeitbeschäftigte aber mehr als nach dem Teilzeit-Arbeitsvertrag geschuldet arbeitet.
Im zu entscheidenden Fall hatte der Tarifvertrag einerseits einen Überstundenzuschlag von 30 % vorgesehen, zuschlagspflichtig waren nach den tariflichen Regelungen jedoch nur Überstunden, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden. Die Klägerin verlangte, obwohl diese tarifvertraglichen Voraussetzungen nicht vorlagen, die entsprechenden Zuschläge. Das Bundesarbeitsgericht hat den Europäischen Gerichtshof beigezogen und nach dessen Entscheidung ausgeurteilt, dass die tarifliche Regelung, die nur solche Überstunden als zuschlagspflichtig ansieht, die über die monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehen einen Verstoß gegen das in § 4 Abs. 1 Teilzeit und Befristungsgesetz (TzBfG) statuierte Verbot, Teilzeitkräfte zu diskriminieren darstelle und deswegen gemäß § 134 BGB nichtig sei. Daraus resultiere wiederum ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Gutschrift im Umfang von 30 %.
Zugleich stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass durch die tarifliche Regelung eine gegen § 7 Abs.1 AGG verstoßende mittelbare Benachteiligung weiblicher Arbeitnehmer wegen des Geschlechts vorliege, da in der Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer mit über 90 % signifikant mehr Frauen als Männer vertreten seien. Insoweit wurde der Klägerin auch noch eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 3 AGG zugesprochen.
Die Entscheidung ist auch deswegen von großer Relevanz, da es nicht nur zahlreiche Tarifverträge gibt, die vergleichbare Regelungen enthalten, sondern sie dürfte auch arbeitsvertragliche Regelungen, in denen das vorgesehen ist, erfassen.
Von wirtschaftlich geringerer Brisanz ist die Frage einer Diskriminierungsentschädigung (im entschiedenen Fall EUR 250,00), in Zeiten, in denen Compliance-Vorschriften ein immer größeres Gewicht gewinnen, ist aber natürlich auch der Aspekt des Gesetzesverstoßes von nicht unerheblicher Bedeutung.