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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. Juni 2023 – 2 BvR 1167/20 – „Standardisiertes Messverfahren und Datenspeicherung „


Seit etlichen Jahren wird bei Anwendung sogenannter standardisierter Messverfahren insbesondere zur Geschwindigkeitsmessung darüber gestritten, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang der Verteidigung im Zusammenhang mit Bußgeldverfahren Informationen zum Messgerät, beispielsweise sogenannte Rohmessdaten zur Verfügung gestellt werden müssen. In einer früheren Entscheidung wurde durch das Bundesverfassungsgericht am 12. November 2020 (DAR 2021,75 –2 BvR 1616/18) festgelegt, dass durch die Verwendung des durch die Rechtsprechung entwickelten standardisierten Messverfahrens die Anforderungen an einen Nachweis abgesenkt werden und es deshalb dem Gebot des fairen Verfahrens entspricht, dass dem Beschuldigten bzw. der Verteidigung alle insoweit bei der Behörde verfügbaren Informationen, auch wenn sich diese außerhalb der Bußgeldakte befinden, herausgegeben werden müssen, insbesondere sogenannte Rohmessdaten. Dabei kommt es darauf an, welche Informationen möglicherweise für die Verteidigung Anhaltspunkte dafür bieten, Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung aufzuzeigen und Beweisanträge zu stellen.

Nunmehr wurde durch das Bundesverfassungsgericht mit einem Beschluss vom 20. Juni 2023 – 2 BvR 1167/20 (DAR 2023, 446) über die Verfassungsbeschwerde eines Betroffenen im Bußgeldverfahren entschieden, mit welcher, gestützt auf die frühere Rechtsprechung, ein Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens gerügt wurde, da die Bußgeldbehörde Messverfahren verwendet hat, welche keine Speicherung von Rohmessdaten mehr vorsehen. Es wurde die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen mit der Begründung, Formale Anforderungen seien nicht erfüllt und insbesondere sei die Bußgeldbehörde nicht verpflichtet, extra Daten zu speichern, dies sei vom Anspruch auf ein faires Verfahren nicht umfasst, die Auswahl eines entsprechenden Messverfahrens ohne Speicherung sei nicht vorzuwerfen.

Gegen die Entscheidung gibt es erhebliche Kritik, im Bußgeldverfahren wird dies jedoch Verteidigungsmöglichkeiten bei der Anwendung sogenannter standardisierter Messverfahren erheblich einschränken, da ein Hinweis der Bußgeldbehörde darauf, dass eine entsprechende Datenspeicherung beim konkreten Messgerät nicht stattfindet, genügt, um Anfragen hierzu abschlägig zu beantworten. Ohne Zugriff auf entsprechende Daten wird es jedoch noch schwieriger, etwaige Bedenken in technischer Hinsicht gegen eine Messung aufzuzeigen und Beweisanträge zu stellen.