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BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13 – “Sexueller Übergriff und doch keine fristlose Kündigung?”
Das Bundesarbeitsgericht hat einen ausgesprochen singulären Fall entschieden, der aber nochmals die neuen Leitlinien in der Rechtsprechung bei fristlosen Kündigungen erkennbar macht:
Der Arbeitnehmer ist seit 16 Jahren beanstandungsfrei tätig, trifft im Umkleideraum auf die Mitarbeiterin einer Reinigungsfirma, die sich zunächst mit Kollegen und dann mit ihm unterhält. Die Mitarbeiterin steht dabei vor dem Waschbecken und dann auch in seiner Nähe, er macht ihr Komplimente über ihre Brüste und berührt sie an der Brust. Die Mitarbeiterin sagt, dass sie das nicht wolle, worauf der Arbeitnehmer sofort von ihr ablässt, sich umzieht und geht. Er räumt sein Fehlverhalten auf Nachfrage des Arbeitgebers sofort ein, erklärte, dass es ihm leid tue und führt auch mit der Mitarbeiterin ein Entschuldigungsgespräch und einen Täter-Opfer-Ausgleich mit Zahlung von Schmerzensgeld durch.
Das Bundesarbeitsgericht hat die dennoch ausgesprochene fristlose Kündigung für unwirksam erklärt. Es stellt zwar klar, dass ein wichtiger Grund in der gegenüber der Mitarbeiterin des Reinigungsunternehmens gezeigten Verhaltensweise liege, da der Arbeitnehmer sie zum Sexualobjekt erniedrigt habe. Im Hinblick auf das gezeigte Folgeverhalten geht das Bundesarbeitsgericht aber davon aus, dass eine Abmahnung genügt hätte, um eine Wiederholung auszuschließen. Dies obwohl die Belästigung zunächst verbal und dann physisch war.
Sowohl die zuvor beanstandungsfreie Zeit des Arbeitsverhältnisses wie das nach der Tat gezeigte Verhalten hat das Bundesarbeitsgericht in diesem Einzelfall dazu veranlasst, keinen eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigenden Grund anzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht lässt aber keinen Zweifel daran, dass eine sexuelle Belästigung an sich ein so schwerwiegender Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers darstellt, dass auch ohne Abmahnung gekündigt werden kann.