Project Description

BGH, Beschluss vom 03.05.2017 XII ZB 157/16 Schutzimpfung vor dem Bundesgerichtshof


Soweit die elterliche Sorge für minderjährige Kinder durch beide Elternteile ausgeübt wird, ist im Falle von Uneinigkeit in einer Frage von erheblichem Gewicht ein Antrag auf Übertragung der Einzelentscheidungsbefugnis gemäß § 1628 BGB möglich.

In diesem Rahmen lag dem Bundesgerichtshof ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, nach welchem die getrennt lebenden, nicht ehelichen Eltern von zwei minderjährigen Kindern, welche das gemeinsame Sorgerecht inne hatten, uneinig darüber waren, ob Schutzimpfungen im üblichen/empfohlenen Rahmen durchgeführt werden sollten oder nicht. Der Kindesvater hat die Vornahme von Schutzimpfungen befürwortet, die Kindesmutter, bei welcher die Kinder leben, hat Impfungen abgelehnt.

In seinem Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 157/16 wurden durch den Bundesgerichtshof Grundsätze hinsichtlich solcher Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit Schutzimpfungen aufgestellt wie folgt:

Entgegen unterschiedlicher Meinungen in der Rechtsprechung und Literatur wurde zunächst eine Meinungsverschiedenheit wegen der Vornahme von Schutzimpfungen als nicht alltägliche Entscheidung von erheblicher Bedeutung eingestuft, so dass ein Antrag auf Übertragung der Einzelentscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB (im Gegensatz zu einer Alltagsentscheidung, vom betreuenden Elternteil alleine zu treffen) eröffnet ist. Dabei wurde als Begründung angeführt, dass sich die besondere Bedeutung aus den potentiellen Risiken der Impfung (Impfrisiko) wie auch aus den Infektionsrisiken bei unterlassener Impfung ergibt.

Es wurde sodann die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt, insbesondere des OLG Jena (FamRZ 2016, 1175), wonach es regelmäßig dem Kindeswohl entspricht, soweit die Schutzimpfungen auf Grundlage der Empfehlung der ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut durchgeführt werden. Der Bundesgerichtshof hat betont, dass es sich bei diesen Empfehlungen um den medizinischen Standard handelt und, im Sinne eines vorweggenommenen Gutachtens, Nutzen und Risiken einer Impfung bereits abgewogen wurden.

Soweit deshalb für den konkreten Fall kein erhöhtes Impfrisiko dargelegt werden kann, wurde es als im Regelfall besseres Konzept für die Gesundheitsvorsorge in Bezug auf Schutzimpfungen gesehen, den Empfehlungen der ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut zu folgen. Obwohl die Kinder somit ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Kindesmutter hatten, wurde dem Kindesvater die Entscheidungsbefugnis in Bezug auf die Durchführung von Impfungen alleine übertragen.