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Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 9.8.2011 – 6 W 206/11 – „Pflichtteilsberechtigten steht Recht auf Akteneinsicht zu”


Das Thüringer Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 9.8.2011 (6 W 206/11) entschieden, dass dem Pflichtteilsberechtigten ein Recht auf Einsicht in die Nachlassakten zusteht. Die Vorinstanz hatte dem Pflichtteilsberechtigten das Recht auf Einsicht in die Nachlassakten noch verwehrt. Das OLG vertritt dage-gen die Auffassung, dass dem Pflichtteilsberechtigten ein berechtigtes Interesse daran, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen zusteht. Zur Informationsbeschaffung sei dabei neben anderer Erkenntnisquellen auch die im Rahmen des Erbschein-verfahrens gefertigte Nachlassaufstellung geeignet. Dass diese Aufstellung vom Nachlassgericht für einen anderen Zweck – für die Ermittlung des Geschäftswertes – verlangt wird, stünde dem berechtigten Interesse des Pflichtteilsberechtigten dabei nicht entgegen. Zwar könne sich der Pflichtteilsberechtigte auch auf anderem Weg, z. B. durch einen Auskunftsanspruch gegen den Erben, dieselben Informationen beschaffen. Dieser Anspruch sei aber nicht gleichwertig, da er gegebenenfalls eine gerichtliche Geltendmachung erfordere und damit mit erheblichen Kosten verbunden sei.
Zur Ermittlung des Umfangs des Nachlasses steht dem Pflichtteilsberechtigten demnach neben dem Aus-kunftsanspruch nach § 2314 BGB im Falle eines Erbscheinverfahrens auch die Möglichkeit offen, Einsicht in die Nachlassakten zu nehmen.