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OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.09.2021 – 2 U 18/21 – “OLG Frankfurt am Main zur Corona-Miete“
Mit Urteil vom 17.09.2021 – 2 U 18/21 – äußerte sich nunmehr auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Problematik der Corona-Miete. Zwischenzeitlich gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichsten Urteilen. Entscheidend wird allein sein, was der Bundesgerichtshof entscheiden wird. Es wird aber voraussichtlich noch einige Zeit dauern, bis der Bundesgerichtshof Rechtssicherheit schafft. Die Gerichtsverfahren vor dem Bundesgerichtshof zeigen, dass die Bundesrepublik Deutschland bei der Digitalisierung einen erheblichen Nachholbedarf hat. Sowohl das Gericht als auch die wenigen vor dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte arbeiten ausschließlich mit den gerichtlichen Papierakten. Da es diese nur einmal gibt und Fristverlängerungen für die Revisionsbegründung und die Revisionserwiderung von jeweils mehreren Monaten üblich sind, dauert es viele Monate, bis ein Richter am Bundesgerichtshof überhaupt die Gelegenheit hat, sich mit den Akten zu beschäftigen.
Die Parteien streiten über die Miete für ein Sushi-Restaurant für die Monate April und Mai 2020. Vom 18.03.2020 bis zum 15.05.2020 musste das Restaurant zwangsweise geschlossen werden. Ab 16.05.2020 war eine stark eingeschränkte Wiederaufnahme des Betriebs bei massiv verringerter Gästekapazität möglich. Das Oberlandesgericht meint, der Restaurantbetreiber könne keine Herabsetzung des vertraglich geschuldeten Mietzinses verlangen. Weder für den Zeitraum der vollständigen auf einer behördlichen Anordnung beruhenden Schließung des Restaurantbetriebs noch für den Zeitraum, in dem der Betrieb eingeschränkt wieder möglich war, ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main eine Herabsetzung der vertraglich geschuldeten Miete geboten. Vielmehr könne dem Restaurantbetreiber nach den Gesamtumständen des Einzelfalls ein Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden.
Übereinstimmend mit der herrschenden Meinung geht das Gericht davon aus, dass die Mietsache nicht mangelhaft war, sodass eine Minderung der Miete ausscheidet. Die Mietsache selbst war weiterhin ordnungsgemäß. Die behördlich angeordneten Einschränkungen hätten sich nicht objektbezogen ausgewirkt, sondern betreffen inhaltlich den Betrieb des Restaurants. Ein Vermieter schulde allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäftsbetrieb mit dem konkret vereinbarten Zweck zu führen, diese Verpflichtung habe der Vermieter erfüllt. Die behördlichen Schließungen und Beschränkungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie betreffen weder die körperliche Beschaffenheit der Mietsache, noch ihren Zustand oder ihre Lage, sodass kein Sachmangel vorliege. Es liege auch kein Fall der Unmöglichkeit vor. Die gesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit werden nach Überlassung der Mietsache von den spezielleren Regelungen des Gewährleistungsrechts verdrängt. Darüber hinaus war es dem Vermieter nicht unmöglich, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu gewähren.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main meint ferner, dass der Mieter auch keine Anpassung der Miete wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage verlangen könne. Zwar sei die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags durch die Folgen der Pandemie schwerwiegend gestört. Gleichwohl kann der Mieter aber keine Anpassung des Mietvertrages und damit eine Herabsetzung der Miete verlangen. Das Oberlandesgericht Frankfurt meint, es könne im konkreten Fall nicht festgestellt werden, dass dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne. Zwar komme ein solches Recht des Mieters, Anpassung des Vertrags zu verlangen, nach den Umständen grundsätzlich in Betracht. Zu berücksichtigen sei aber, dass es sich bei der Pandemie um einen Umstand handelt, der nach der gesetzlichen Regelung in den Risikobereich eines Mieters falle. Zwar könne in Ausnahmefällen dennoch eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage geboten sein, dafür sei aber erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für den Mieter zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Erforderlich sei, dass eine Anpassung des Vertrages zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden und damit dem Mieter nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unausweichlich erscheint. Vor diesem Hintergrund sei eine Anpassung des Vertrags durch Herabsetzung der vom Mieter geschuldeten Miete um 50 % für die Zeit einer behördlichen Schließung des Geschäftsbetriebs nicht schon allein deshalb vorzunehmen, weil keine der Mietvertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage in Gestalt der Pandemie gesetzt hat (so aber OLG Dresden, ZMR 2021, 476; LG München I, NZM 2021, 194; LG Mönchengladbach, BeckRS 2020, 30731). Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ist es zu kurz gesprungen, allein auf die Auswirkungen der Pandemie abzustellen. Vielmehr müssten auch die weiteren konkreten Umstände des Sachverhalts herangezogen werden (ebenso OLG Köln, Beschluss vom 31.05.2021 – 22 U 205/20; OLG Karlsruhe, NJW 2021, 945; OLG München, NJW 2021, 948). Zu berücksichtigen sei, dass den Mieter zwar die behördlichen Beschränkungen ganz erheblich trafen, insbesondere deswegen, weil während des Zeitraums der Schließung keine Einnahmen erzielt wurden. Zu berücksichtigen sei aber, dass es dem Mieter gelungen sei, mit der Schließung sämtliche anderen Kosten auf Null zu senken, allein die Miete war noch zu zahlen. Staatliche Hilfen außer Kurzarbeitergeld, insbesondere Überbrückungsgeld, hatte der Mieter aber nicht erhalten, ebenso keine Leistungen aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung. Eine Herabsetzung der Miete für den Zeitraum der Schließung des Restaurants und der nachfolgenden behördlichen Beschränkungen stünden die gleichfalls zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Vermieters entgegen. Dem Interesse eines Mieters an einer finanziellen Entlastung stünden auf Seiten des Vermieters dessen eigene finanzielle Verpflichtungen entgegen. Im konkreten Fall trafen den Vermieter erhebliche Darlehensverpflichtungen. Hinzu kamen die Betriebskosten für das Objekt. Diese Darlehensverpflichtungen wiegen nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main so schwer, dass dem Vermieter eine Herabsetzung der Miete nicht zumutbar sei.
Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.