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Neues zur Schriftform


Die gesetzliche Schriftform gemäß § 550 BGB bei Mietverträgen, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, ist ein Dauerbrenner. Mit Urteil vom 16.2.2011 (30 U 53/10) hatte das Oberlandesgericht Hamm einen interessanten Fall zu entscheiden.

Mit Mietvertrag vom 9.8.2002 mietete die aus mehreren Gesellschaftern bestehende „S 3 und Partner GbR“ von der Vermieterin Gewerberäume mit einer Größe von 1.152 m². Mietgegenstand waren auch „24 Parkplätze befestigt am Eingangsbereich“ und „2 Parkplätze unbefestigt am Hinterhaus“. Bei dem Mietvertrag handelte es sich um einen Anschlussmietvertrag, d.h. die Räumlichkeiten und die Parkplätze waren mit einem vorangegangenen Mietvertrag bereits von der Mieterin angemietet worden und befanden sich bei Abschluss des neuen Mietvertrages in deren Besitz. Vereinbart wurde eine feste Laufzeit von 10 Jahren. Der Mietvertrag sieht vor, dass eine Kündigung schriftlich per Einschreiben erfolgen muss. Mit Schreiben vom 7.6.2004 bat die Mieterin um Erlaubnis, einen Teilbereich der von ihr angemieteten Büroflächen untervermieten zu dürfen. Diese Erlaubnis wurde ihr von der Verwalterin erteilt.

Mit Schreiben vom 15.9.2009 kündigte die Mieterin das Mietverhältnis zum 31.3.2010. Sie macht geltend, nach § 550 BGB unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 580 a Abs. 2 BGB: bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume ist die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig) kündigen zu können, da die von § 550 BGB geforderte Schriftform des Mietvertrages nicht gewahrt sei. Der Mietvertrag genüge deshalb nicht der Schriftform, weil der Mietvertrag nur von einem Gesellschafter der GbR unterschrieben worden ist. Insoweit trägt der Mietvertrag bei der Unterschriftszeile nur den Schriftzug des Gesellschafters C, wobei sich über seiner Unterschrift ein Stempel der S 3 & Partner GbR befindet. Die Mieterin macht weiter geltend, die Schriftform des Mietvertrags sei auch deshalb nicht gewahrt, weil die angemieteten Parkplätze in dem Mietvertrag nicht hinreichend bestimmt seien, denn eine eindeutige Zuordnung der an die Mieterin ausgewiesenen Parkplätze sei nicht möglich. Schließlich folge ein weiterer Formverstoß daraus, dass das Einverständnis der Hausverwaltung mit der Untervermietung lediglich im Rahmen eines bloßen Briefwechsels erfolgte, was ebenfalls nicht die gesetzlichen Anforderungen an die Schriftform erfülle.

Die Vermieterin sah keinen Schriftformmangel und machte ferner geltend, die Kündigung sei ohnehin unwirksam, weil sie nicht per Einschreiben, sondern per Boten zugestellt wurde.

Die Mieterin klagte auf Feststellung, dass das Gewerberaummietverhältnis durch die Kündigung vom 15.9.2009 zum 31.3.2011 beendet wurde. Das Oberlandesgericht gab der Klägerin recht.

Nicht geteilt haben die Richter die Auffassung der Vermieterin, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam gewesen, weil sie per Kurier und nicht per Einschreiben zugestellt worden ist. Zwar sieht der Mietvertrag eine Zustellung per Einschreiben vor. Bei einer solchen Klausel hat aber allein die Schriftform konstitutive Bedeutung, d.h. nur die Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Die Versendung als Einschreibebrief soll hingegen nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern. Deshalb ist bei einer mietvertraglichen Klausel, wonach Kündigungen schriftlich per Einschreiben erklärt werden müssen, regelmäßig nur die Schriftform als Wirksamkeitserfordernis für die Kündigungserklärung vereinbart, dagegen kann ihr Zugang auch in anderer Weise als durch einen Einschreibebrief wirksam erfolgen (so auch BGH NZM 2004, 258).

Das Oberlandesgericht Hamm sah die Kündigung als wirksam an, da der ausweislich der Vertragsurkunde auf 10 Jahre befristete Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß §§ 578 Abs. 1, 550 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt und daher vorzeitig durch die ordentliche Kündigung vom 15.9.2009 zum 31.3.2010 beendet werden konnte (§ 580 a Abs. 2 BGB).

Die Schriftform des § 550 BGB war nicht gewahrt, weil der Mietvertrag von einem Gesellschafter der GbR unterzeichnet wurde. Ist eine GbR oder eine Personenmehrheit Mietvertragspartei, so müssen entweder alle Personen unterschreiben oder die vorhandenen Unterschriften müssen deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie auch in Vertretung der nicht unterzeichnenden Vertragsparteien (hier also der nicht unterzeichnenden Gesellschafter der GbR) geleistet worden sind. Denn sonst lässt sich der Mietvertragsurkunde nicht eindeutig entnehmen, ob der Vertrag mit den vorhandenen Unterschriften auch für und in Vertretung der anderen Vertragsparteien zustande gekommen ist oder ob die Wirksamkeit des Vertrages solange hinausgeschoben sein soll, bis auch die weiteren Vertragsparteien diesen unterschrieben haben. Das hat der Bundesgerichtshof für die Gesellschafter einer GbR (NJW 2004, 1103; NJW 2003, 3053, 3054) und für die Mitglieder einer Erbengemeinschaft (NJW 2002, 3389, 3391) entschieden. Ein Vertretungszusatz ist darüber hinaus immer dann erforderlich, wenn als Mieter oder Vermieter mehrere Personen (etwa Eheleute) auftreten, von denen nur eine den Vertrag unterschrieben hat. Auch dann ist aus der bloßen Unterschrift noch nicht ersichtlich, ob der Vertrag zugleich in Vertretung – und zwar auch für den anderen – mit unterzeichnet worden ist oder ob es noch der Unterschrift weiterer Personen bedarf.

Wird die Vertretung der Vertragspartei durch die den Vertrag unterzeichnende Person allerdings auf andere Weise deutlich, ist ein zusätzlicher Vertretungszusatz nicht erforderlich (BGH NJW 2008, 2178, 2180). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nur eine natürliche Person als Mieter oder Vermieter auftritt und eine andere Person den Vertrag unterschreibt. Dann kann deren Unterschrift auf der im Mietvertrag mit „Mieter“ oder „Vermieter“ gekennzeichneten Unterschriftenzeile nur bedeuten, dass sie mit ihrer Unterschrift die Vertragspartei vertreten will. Das Vertretungsverhältnis wird in solchen Fällen deswegen auch ohne ausdrücklichen Vertretungszusatz hinreichend deutlich und die Schriftform ist dann auch ohne ausdrücklichen Vertretervermerk gewahrt. Dementsprechend hat der BGH die Wahrung der Schriftform als ausreichend angesehen, wenn bei einer GmbH der alleinige Geschäftsführer ohne Hinweis auf seine Vertreterstellung unterzeichnet.

In der entschiedenen Sache stellte sich die Frage, ob aufgrund des Firmenstempels der GbR über der Unterschrift des Gesellschafters C die Schriftform gewahrt ist.

Das Oberlandesgericht Hamm führt aus, Mieterin sei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die gemäß §§ 709, 714 BGB von sämtlichen Gesellschaftern gemeinsam vertreten wird. Durch den Firmenstempel der GbR sei zwar unzweifelhaft erkennbar, dass C jedenfalls nicht für sich, sondern für die GbR gehandelt hat. Das reicht aber zur Wahrung der Schriftform nicht aus.

Das Oberlandesgericht Hamm bezieht sich auf die Rechtsprechung des BGH, wonach bei der Aktiengesellschaft, die durch eine Personenmehrheit vertreten wird (§ 78 Abs. 2 AktG), ein Vertretungszusatz erforderlich sei, wenn nur ein Vorstandsmitglied unterzeichnet. Daraus folgert das OLG Hamm, im konkreten Fall sei die Schriftform nicht gewahrt, weil der für die Gesellschaft unterzeichnende C nicht zusätzlich durch einen Zusatz klargestellt hat, auch als Vertreter für die übrigen Gesellschafter zu handeln. Auch der Stempelaufdruck ergibt nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend zuverlässig eine Vertretung der übrigen Gesellschafter. Für einen potentiellen Erwerber könne der Eindruck entstehen, dass die Urkunde unvollständig ist und es zur Wirksamkeit des Vertrages noch weiterer Unterschriften bedarf. Dies sei der entscheidende Gesichtspunkt, warum der BGH für die GbR und die Erbengemeinschaft zur Wahrung der Schriftform bislang stets einen Vertreterzusatz für erforderlich gehalten hat, wenn nur ein Mitglied unterzeichnet hat.

Das OLG Hamm führt weiter aus, dass die Geltendmachung des Schriftformmangels auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Grundsätzlich dürfe sich jede Vertragspartei auch noch Jahre nach Abschluss des Mietvertrages darauf berufen, dass die für den langfristigen Mietvertrag vorgesehene Form nicht eingehalten ist. Dies gilt selbst dann, wenn sich die betreffende Vertragspartei von dem Vertrag lösen möchte und selbst ohne schuldhaftes Handeln objektiv den Schriftformmangel herbeigeführt hat. Ein solches Verhalten erscheint im Hinblick auf den Sinn und Zweck der gesetzlichen Schriftform nach § 550 BGB weder treuwidrig noch arglistig. Nur ganz besondere Umstände können im Einzelfall den Einwand unzulässiger Rechtsausübung begründen mit der Folge, dass die Kündigung des Vertrages unzulässig ist. Dies gilt etwa dann, wenn die andere Partei die Nachholung der Schriftform verlangen kann oder die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde.

Nicht geteilt hat das OLG Hamm allerdings die Auffassung der Mieterin, die Schriftform des Mietvertrages sei auch deshalb nicht gewahrt, weil die gemieteten Parkplätze im Mietvertrag nicht hinreichend bestimmbar bezeichnet worden seien. Das Oberlandesgericht führt sinngemäß aus, die Bezeichnung der Stellplätze im Mietvertrag sei unklar oder lückenhaft und deutet an, dass dies unter normalen Umständen ebenfalls zur ordentlichen Kündbarkeit des Mietvertrages führen würde. Im konkreten Fall sei dies nur deshalb anders zu entscheiden, weil die Mieterin das Mietobjekt bei Abschluss des Mietvertrages aufgrund des vorangegangenen Mietvertrages bereits nutzte, so dass sich damit der Umfang der bisherigen Nutzung als Auslegungshilfe anbot. Nur deshalb sah das Oberlandesgericht keinen Schriftformmangel. Hätte es sich aber nicht um einen Anschlussmietvertrag gehandelt, hätte die unklare oder lückenhafte Bezeichnung der Stellplätze im Mietvertrag („24 Parkplätze befestigt am Eingangsbereich“ und „2 Parkplätze unbefestigt am Hinterhaus“) ebenfalls zur ordentlichen Kündbarkeit des Mietvertrages wegen eines Schriftformmangels geführt.

Nicht gefolgt ist das Oberlandesgericht auch der Meinung der Mieterin, ein Schriftformmangel sei darin zu sehen, dass die Erlaubnis zur Untervermietung nicht in einer Nachtragsvereinbarung erteilt wurde. Die Erlaubnis der Hausverwaltung habe sich nur auf einen konkreten Einzelfall bezogen, so dass diese nicht der Schriftform bedurfte. Selbst wenn es sich um eine generelle Erlaubnis zur Untervermietung gehandelt hätte, die einen schriftlichen Mietvertragsnachtrag erforderlich machen würde, wäre der Mieterin eine Berufung auf einen etwaigen Formmangel nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt. Denn eine generelle Erlaubnis zur Untervermietung kam in erster Linie der Mieterin als der Kündigenden selbst zu Gute. Es erscheint deshalb treuwidrig, weil zu einem schlechterdings untragbaren Ergebnis führend, wenn sich die Mieterin nunmehr auf den Formverstoß berufen kann und unter Bezugnahme auf diesen ordentlich kündigt, wenngleich sie den Verstoß initiiert und davon zumindest partizipiert (durch Ersparnis eigener Mietkosten) hat.
Das OLG Hamm hat die Revision zu der Frage zugelassen, ob zur Wahrung der Schriftform im Sinne des § 550 BGB auch dann noch ein Vertreterzusatz für die weiteren Gesellschafter für erforderlich gehalten wird, wenn ein Gesellschafter der GbR den Mietvertrag unterzeichnet hat und zusätzlich über der Unterschriftenzeile ein Firmenstempel vorhanden ist, der auch für einen Erwerber unzweifelhaft erkennen lässt, dass allein die GbR aus dem Vertrag berechtigt und verpflichtet werden sollte.