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 Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Abrechnung von Betriebskosten


Der Bundesgerichtshof hat vor wenigen Tagen, nämlich am 6.7.2011, eine interessante Entscheidung zur Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß des Vermieters gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit getroffen (Aktenzeichen VIII ZR 340/10).

Zum Verständnis des Urteils ist etwas weiter auszuholen und der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz bei Betriebskostenabrechnungen zu erläutern. Nach diesem Grundsatz ist der Vermieter verpflichtet, bei Maßnahmen und Entscheidungen, die Einfluss auf die Höhe der vom Mieter zu tragenden Nebenkosten haben, auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis Rücksicht zu nehmen. Der Ansatz der Bewirtschaftungskosten hat den Grundsätzen einer ordentlichen Bewirtschaftung zu entsprechen. Bewirtschaftungskosten dürfen nur angesetzt werden, soweit sie bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigt sind. Dass die umzulegenden Kosten erforderlich sein müssen, ist ein allgemeiner, auf Treu und Glauben beruhender Grundsatz, der für alle Mietverhältnisse und Mietnebenkosten gilt. Als Kontrollüberlegung bietet es sich an, jeweils im Einzelfall danach zu fragen, ob ein verständiger Vermieter die Kosten auch veranlasst hätte, wenn er sie selbst tragen müsste (so LG Berlin GE 1987, 517 und Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, S. 236).

Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz löst keine Beschränkung der Entscheidungsfreiheit des Vermieters aus. Er ist nicht gehindert, nach freiem Belieben Betriebskosten jeglicher Art und Höhe entstehen zu lassen, insbesondere Leistungen in Anspruch zu nehmen, die ihm z.B. die Verwaltung und Erhaltung des Mietobjekts angenehmer gestalten. An den Mieter weitergeben darf er sie jedoch nur bei ordnungsgemäßem Kostengrund und angemessener Kostenhöhe.

Im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes hat der Vermieter einen Entscheidungsspielraum. Es gibt keine Verpflichtung des Mieters, bereits bei der Baukonzeption auf den Anfall nur geringer Nebenkosten zu achten (so Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, Rn. 1056 a). Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gilt nur innerhalb der vom Vermieter gewählten Versorgungsart und verpflichtet den Vermieter nicht, schon bei der Auswahl die wirtschaftlich vorteilhafteste Versorgungsvariante zu wählen (so BGH NZM 2007, 563 für das Verhältnis Zentralheizung/Wärmecontracting).

Die Kosten für Maßnahmen, die nicht erforderlich oder sinnlos sind, können nicht auf die Mieter umgelegt werden. Letztlich geht es um das Gebot der Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des Vertragspartners, das allein die Umlage solcher Kosten rechtfertigt, die für eine ordnungsgemäße und sparsame Bewirtschaftung erforderlich sind. Wann dies der Fall ist, lässt sich aber nicht generell feststellen, sondern richtet sich nach den Verhältnissen im Einzelfall. So widerspricht beispielsweise eine Überprüfung von Anlagen entsprechend den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot (so BGH GE 2007, 539). Auch private Versicherungsverträge können Überprüfungspflichten vorsehen und dadurch eine Obliegenheit des Vermieters begründen (so OLG Köln Zfs. 2008, 340). Eine Erforderlichkeit im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes wird dadurch jedoch nur dann begründet, wenn die Überprüfung tatsächlich sinnvoll ist oder wenn die Versicherung zu anderen Bedingungen nirgends angeboten wird.

Kosten, die vom Vermieter dem Leistungserbringer nicht geschuldet werden, sind nicht umlegungsfähig. Das gilt insbesondere für Trinkgelder (so LG Berlin GE 1981, 235; eine andere Auffassung vertrat allerdings das Landgericht Hamburg im Urteil ZMR 1960, 75). Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zwingt den Vermieter aber nicht, sich auf Rechtsstreitigkeiten mit Dritten einzulassen, die mit einem nennenswerten Prozessrisiko verbunden sind. Für verjährte Forderungen von Leistungserbringern wird die Auffassung vertreten, dass deren Bezahlung dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz widerspricht (so Pfeifer DWW 2000, 16).

Ebenfalls nicht umlegungsfähig sind Kosten, die wegen einer Säumnis des Vermieters entstehen, z.B. Säumniszuschläge, Mahngebühren und Verzugszinsen. Stundungs- und Aussetzungszinsen nach der Abgabenordnung sind ebenfalls nicht umlegungsfähig.

Bei der Auslegung der Kapazität von Anlagen hat der Vermieter einen Spielraum. So wird es als zulässig angesehen, dass Anlagen so große Leistungsreserven haben, dass die Kapazität auch unter ungünstigsten Verhältnissen ausreicht, auch wenn dadurch höhere Betriebskosten entstehen. Auch bei der gärtnerischen Gestaltung von Freiflächen wird dem Vermieter ein Spielraum zugebilligt. Der Vermieter hat hier einen Spielraum für die Art der Bepflanzung und muss nicht aus Kostengründen nur pflegeleichte Rasenflächen anlegen. Er kann auch turnusmäßige Neubepflanzungen vornehmen und die Kosten umlegen. Als unwirtschaftlich angesehen wurde z.B. eine übertrieben großzügige Beleuchtungsanlage (so LG Berlin GE 1992, 989). Dem Vermieter steht es auch frei, Verbesserungen am Mietobjekt vorzunehmen.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird verletzt, wenn sich der Vermieter auf unangemessene, marktunübliche, überhöhte Entgeltvereinbarungen mit Dritten einlässt. Der Vermieter muss aber nicht unbedingt den billigsten Anbieter wählen. Vom Vermieter wird aber nicht verlangt, dass er alle denkbaren Anbieter zur Abgabe eines Angebots auffordert. Ob eine Ausschreibung erforderlich ist, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Jedenfalls ist das Fehlen einer Ausschreibung dann unbeachtlich, wenn die Ausschreibung zu keiner Kosteneinsparung geführt hätte.

Akzeptiert der Vermieter in einem Rechtsstreit gegen einen Leistungserbringer einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag, dann verstößt dies nicht gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz. Die aufgrund des Vergleichs geschuldeten Kosten sind umlegbar, wenn der Mietvertrag eine Umlegungsvereinbarung für die einschlägige Kostenart enthält.

Verletzt der Vermieter das Wirtschaftlichkeitsgebot, dann führt dies zu einem Schadensersatzanspruch des Mieters, der darauf gerichtet ist, dass der Mieter von den unnötigen Kosten freigehalten wird (so BGH NZM 2008, 78). Das bedeutet, dass der Vermieter nicht berechtigt ist, die unnötigen Kosten auf die Mieter umzulegen. Enthält der gewerbliche Mietvertrag eine wirksame vertragliche Frist, innerhalb der vom Mieter Einwendungen geltend gemacht werden müssen, muss der Mieter die Verletzung des Gebots der Wirtschaftlichkeit innerhalb der Einwendungsfrist rügen. Nach Ablauf der vertraglichen Einwendungsfrist gilt die Abrechnung als ordnungsgemäß und verbindlich. Ein Schadensersatzanspruch kann dann nicht mehr darauf gestützt werden, dass die Aufnahme der unnötigen Kosten in die Abrechnung eine Pflichtverletzung darstellt.

Die Darlegungs- und Beweislast bei der Frage der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots war in der Literatur umstritten. Mit dem Urteil vom 6.7.2011 (VIII ZR 340/11) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Mieter, der mit der Behauptung eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei der Betriebskostenabrechnung einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen trägt. Das ist von großer praktischer Bedeutung. Die pauschale, immer wieder anzutreffende Behauptung von Mietern, Kosten seien überhöht und es liege ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor, reicht nicht. Bei dem Sachverhalt, der dem Urteil des BGH vom 6.7.2011 zugrundelag, hatten sich die Mieter gegen Kosten mit der Begründung gewandt, diese seien höher als die Kosten, die in einem „Betriebskostenspiegel für Deutschland“ genannt werden, der vom Deutschen Mieterbund e.V. herausgegeben wird. Der BGH vertrat die Auffassung, ein Mieter, der einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot behauptet, genüge der Darlegungs- und Beweislast nicht, wenn er argumentiert, der Betriebskostenansatz eines Vermieters sei höher als entsprechende Kosten im „Betriebskostenspiegel für Deutschland“. Denn überregional auf empirischer Basis ermittelte Betriebskostenzusammenstellungen kommen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs angesichts der je nach Region und Kommune unterschiedlichen Kostenstruktur keine Aussagekraft im Einzelfall zu. Vielmehr muss stets auf das konkrete Mietobjekt abgestellt werden.

Häufig wird im Rechtsstreit vom Gericht zur Frage der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Steht fest, welches Entgelt marktüblich ist, wird dem Vermieter eine Überschreitung von 10 % (so die Auffassung von Frau Milger in NZM 2008, 1, die deshalb von besonderer Bedeutung ist, weil Frau Milger dem Zivilsenat des Bundesgerichtshofs angehört, der für das Wohnraummietrecht zuständig ist) bis 20 % (so AG Köln WuM 1999, 221) zugestanden. Für darüber hinausgehende Beträge muss der Vermieter besondere Gründe dartun und beweisen, z.B. besondere Vorzüge des Vertragspartners, wie langjährige bewährte Zusammenarbeit oder besondere Kompetenz und Zuverlässigkeit des Vertragspartners. Je höher die Überschreitung der üblichen Preise ist, umso gewichtiger müssen die Gründe für die getroffene Auswahl sein.