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OLG Hamm, Urteil vom 6.5.2011 – 30 U 15/10 – „Dauerbrenner: Schriftform”


§ 550 BGB, der nicht nur für Mietverhältnisse, sondern gemäß § 581 Abs. 2 BGB auch für Pachtverträge gilt, ordnet an, dass ein nicht in schriftlicher Form für eine längere Zeit als ein Jahr geschlossener Miet- oder Pachtvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Der Mietvertrag oder der Pachtvertrag sind demnach ordentlich kündbar, wenn die Schriftform nicht gewahrt ist, jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Raums bzw. der Pachtsache (§ 550 Satz 2 BGB).

Wie leicht die Schriftform mit der Folge der ordentlichen Kündbarkeit verletzt werden kann, verdeutlicht ein Urteil des OLG Hamm vom 6.5.2011 (Az. 30 U 15/10). Die Klägerin hatte bereits im Jahre 1978 mit der Beklagten einen Nutzungsvertrag geschlossen, mit dem sich die Klägerin verpflichtete, auf Landwirtschaftsflächen einen Golfplatz zu erstellen und der Beklagten für eine Laufzeit von mindestens 20 Jahren entgeltlich zur Verfügung zu stellen. In einem weiteren Vertrag vom 29.5.1990 verpflichtete sich die Klägerin, den Golfplatz weiterhin der Beklagten bis 31.12.2010 zu überlassen. Der Beklagten wurde ein optionales Verlängerungsrecht um weitere 10 Jahre eingeräumt, das die Beklagte ausübte.

In § 1 des Vertrags vom 29.5.1990 hieß es:

„Der Verpächter verpachtet an den Pächter die bestehende 18 Loch Anlage gemäß dem beiliegenden Lageplan (Anlage 1), einschließlich Driving-range und Übungsgelände.“

Der Originalvertrag vom 29.5.1990 gerät in Verlust. Es existieren lediglich Kopien.

Vor Vertragsunterzeichnung wurde der im Vertrag vorgesehene Passus „gemäß dem beiliegenden Lageplan (Anlage 1)“ im gegenseitigen Einverständnis gestrichen, weil die Vertragsparteien die Golfanlage kannten und daher die Beifügung eines Lageplanes nicht für erforderlich hielten.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, der Pachtvertrag wahre nicht die Schriftform, weil der Originalpachtvertrag nicht mehr vorhanden sei und weil die Pachtsache nicht hinreichend konkretisiert wurde, da kein Lageplan beigefügt wurde. Die Klägerin erklärt die ordentliche Kündigung des Pachtvertrags und klagt auf Räumung.

Das OLG Hamm gibt der Räumungsklage statt, weil der Vertrag vom 29.5.1990 nicht die Schriftform wahrte und das Pachtverhältnis daher als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.

Zunächst führt das Oberlandesgericht Hamm aus, die Nichteinhaltung der von § 550 BGB geforderten Schriftform folge nicht bereits aus dem Umstand, dass kein Originalvertrag mehr vorhanden ist. Ob eine Urkunde die Schriftform wahre oder nicht, sei grundsätzlich aus der Sicht des Zeitpunktes ihrer Unterzeichnung zu beurteilen. Spätere tatsächliche Geschehnisse können die Wahrung der Form nicht mehr in Frage stellen, es sei denn, es handele sich dabei um wesentliche Vertragsänderungen. Es reicht aus, wenn auf andere Weise – etwa durch Zeugen – feststeht, dass die Vertragsurkunde existent war und ihr wesentlicher Inhalt nachgewiesen wird.

Die Schriftform war aber verletzt, weil in dem schriftlichen Vertrag der Pachtgegenstand nicht hinreichend bestimmt und auch nicht bestimmbar ist. Der Pachtsache fehlt die erforderliche individualisierende Konkretisierung. Die Formulierung in § 1 des Vertrages vom 29.5.1990, wonach „die bestehende 18 Loch Golfanlage, einschließlich Driving-range und Übungsgelände“ verpachtet wird, ist zu unbestimmt. So fehlen jegliche Angaben zur genauen Lage, Größe und Grenzen der Golfanlage. Die Pachtsache ist auch nicht hinreichend bestimmbar. Die Parteien haben davon abgesehen, zur Bestimmung der Pachtsache einen Lageplan als Anlage zum Vertrag zu nehmen. Der hierfür im Vertrag vorgesehene Passus „gemäß dem beiliegenden Lageplan (Anlage 1)“ ist im gegenseitigen Einverständnis unstreitig gestrichen worden, weil die Vertragsparteien die Golfanlage kannten und daher die Beifügung eines Lageplans nicht für erforderlich hielten. Der Umstand, dass die Beklagte die Golfanlage seit 1978 nutzte, reicht zur Begründung der Bestimmbarkeit der Pachtsache nach Meinung des OLG Hamm nicht. Zwar können etwaige Zweifel an der exakten Lage eines Pachtgegenstandes auch ohne Zuhilfenahme von Lagezeichnungen beseitigt werden, z.B. anhand des Umfangs der tatsächlichen, bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses währenden Nutzung durch einen Pächter im Rahmen des vorausgegangenen Pachtverhältnisses, auf das so wie hier im Vertrag hingewiesen wird. Diese Grundsätze finden aber nach Auffassung des OLG Hamm im entschiedenen Fall keine Anwendung. Denn es geht nicht um einen eindeutig durch Wände, Türen, Zäune oder ähnliches räumlich abgegrenzten bzw. abgrenzbaren Pachtgegenstand, z.B. innerhalb eines Gebäudes oder eines Gebäudekomplexes. Vielmehr ist laut Vertrag eine „bestehende Golfanlage“ verpachtet worden, die sich über diverse Grundstücke erstreckt und – als „Golfanlage“ – weder über künstliche noch über natürliche Begrenzungen verfügt und deren äußeres Erscheinungsbild je nach Jahreszeit optischen Veränderungen ausgesetzt ist. Unter diesen Umständen wird ein potentieller Erwerber, dessen Schutz § 550 BGB auch beabsichtigt, Schwierigkeiten haben, den Inhalt des auf ihn im Falle eines Grundstückserwerbes kraft Gesetzes übergegangenen Pachtvertrages sicher zu bestimmen. Deshalb ist nach Auffassung des OLG Hamm die Schriftform des Pachtvertrages nicht gewahrt. Aufgrund der ordentlichen Kündigung der Verpächterin war die Beklagte zur Räumung zu verurteilen.