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Kammergericht, Urteil vom 16.03.2023, 8 U 76/21 – „Minderung aufgrund öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkungen“


Mit Urteil vom 16.03.2023 (8 U 76/21) befasste sich das Kammergericht Berlin mit der Frage der Minderungsbefugnis eines gewerblichen Mieters aufgrund öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkungen.

In der Mietsache befand sich vor Abschluss des Mietvertrages zwischen den Parteien ein Bio-Lebensmittelmarkt. Aufgrund des Mietvertrages sollte die Mietsache genutzt werden „als Ladengeschäft mit Verkaufsraum, Kiosk“. Ein oberhalb einer Durchfahrt gelegener Raum wurde zur Nutzung als Büro vermietet. Der Mieter verpflichtete sich, die erforderlichen Umbaumaßnahmen auf eigene Kosten durchzuführen. Nachdem der Mieter einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung eines Bio-Lebensmittelmarktes in einen Kiosk beantragte ging am 04.04.2019 ein Anhörungsschreiben der zuständigen Behörde beim Mieter ein, in dem ausgeführt wird, der Raum über der Durchfahrt besitze nicht die erforderliche lichte Raumhöhe von 2,50 m zur Nutzung als Büro und darüber hinaus sei das Vorhaben wegen Verstößen gegen denkmalrechtliche und baurechtliche Vorschriften nicht genehmigungsfähig. Das Kammergericht entscheidet, dass die Miete ab 04.04.2019 wegen eines Sachmangels auf 50 % reduziert ist. Der Senat führt aus, dass öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstehen, grundsätzlich einen Sachmangel im Sinne von § 536 BGB darstellen, wenn sie mit der Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (BGH NJW-RR 2014, 264, Tz. 20). Werden Mieträume zu einem konkreten Betriebszweck überlassen, müssen sich deshalb die Räume in einem Zustand befinden, der die Aufnahme des Betriebs in rechtlicher Hinsicht uneingeschränkt zulässt (so Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 536 BGB Rn. 175 ff. m.w.N.). Der Vermieter schuldet nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB mangels abweichender Vereinbarungen die Überlassung in einem genehmigungsfähigen Zustand und hat etwaige Baumaßnahmen, welche zu dessen Erreichung erforderlich sind, auf eigene Kosten zu veranlassen. Allerdings berechtigen öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht zur Minderung, wenn der Mieter in seinem vertragsgemäßen Gebrauch mangels Einschreiten der zuständigen Behörde nicht tatsächlich eingeschränkt ist (BGH NJW-RR 2014, 264 Rn. 20). Deshalb war die Mietsache vor Zugang des Schreibens der zuständigen Baubehörde vom 02.04.2019 nicht mangelhaft. Bis zum Zugang des Schreibens vom 02.04.2019 schuldete der Mieter somit eine ungekürzte Miete. Ab dem 04.04.2019 reduzierte sich die Miete auf die Hälfte. Der Mangel der Mietsache, nämlich die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, beruhte nämlich gleichermaßen auf der vom Vermieter zu vertretenden unzulässigen Nutzung des Büroraumes (der nicht die erforderliche lichte Höhe aufwies) sowie auf dem vom Mieter geplanten und beantragten,  gegen denkmalrechtliche Vorschriften verstoßenden Teilabriss bzw. Durchbruch von Trennwänden. Zwar schuldet ein Vermieter grundsätzlich die Überlassung der Mieträume in einem genehmigungsfähigen Zustand und er hat etwaige Baumaßnahmen, welche zu dessen Erreichung erforderlich sind, auf eigene Kosten zu veranlassen. Dies gilt aber nur, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Vorliegend hatten die Mietvertragsparteien jedoch abweichende vertragliche Vereinbarungen getroffen. Der Mieter hatte sich zur Ausführung von bestimmten Umbaumaßnahmen zur Herstellung der Mieträume für seinen Mietzweck verpflichtet. Da somit die fehlende Genehmigungsfähigkeit von Umbaumaßnahmen des Mieters für die Eröffnung eines Ladengeschäfts sowohl auf vom Vermieter als auch vom Mieter zu vertretenden Umständen beruhte war die Miete nur um 50 % gemindert.

Da ein Sachmangel der Mietsache (fehlende Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens) auch wegen der öffentlich-rechtlichen Unzulässigkeit der Büronutzung gegeben war, war der Mieter ferner berechtigt, das Mietverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen (§ 543 Abs. 1 BGB).