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OLG Hamm, Anerkenntnisurteil vom 29.11.2023, I-30 U 349/22 – „Mietvertragliche Ausschlussfrist im gewerblichen Mietverhältnis“


Im Rechtsstreit I-30 U 349/22 befasste sich das Oberlandesgericht Hamm mit der Wirksamkeit einer mietvertraglichen Ausschlussfrist in einem Mietvertrag über Gewerberäume. Der Mieter klagte auf Einsicht in die Belege, die zwei Nebenkostenabrechnungen zugrunde lagen. Der Vermieter machte geltend, er müsse keine Belegeinsicht gewähren, weil keine Ansprüche des Mieters aus der Nebenkostenabrechnung in Betracht kommen. Der Mietvertrag enthält nämlich eine formularmäßige Ausschlussfrist, die längst abgelaufen war. Im Mietvertrag ist geregelt, dass ein Saldo aus der Nebenkostenabrechnung binnen vier Wochen nach Zugang der Abrechnung auszugleichen ist. Sodann heißt es im Mietvertrag:

„Der Vermieter wird dem Mieter auf dessen Wunsch nach vorheriger terminlicher Abstimmung innerhalb der genannten vier Wochen in den Verwaltungsräumen Einsicht in die Abrechnungsunterlagen geben. Die Abrechnung gilt als anerkannt, wenn der Mieter dieser nicht innerhalb einer weiteren Frist von vier Wochen unter Angabe von Gründen schriftlich widersprochen hat.“

In der Nebenkostenabrechnung wird auf die Ausschlussfrist hingewiesen. In erster Instanz hat das Landgericht Münster die Klage auf Belegeinsicht mit der Begründung angewiesen, es fehle an einem rechtlichen Interesse an der Belegeinsicht, weil wegen der versäumten Ausschlussfrist Ansprüche des Mieters aus den Nebenkostenabrechnungen nicht bestehen können.

In der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren weist das Oberlandesgericht Hamm darauf hin, dass die Regelung im Mietvertrag, wonach der Vermieter dem Mieter auf dessen Wunsch nach vorheriger terminlicher Abstimmung innerhalb von vier Wochen in den Verwaltungsräumen des Einkaufszentrums Einsicht in die Abrechnungsunterlagen geben werde, keine Ausschlussfrist darstellt. Insoweit sei zumindest die Unklarheitenregel nach § 305c BGB einschlägig. Er stelle sich dann die Frage, ob das Belegeinsichtsrecht nicht mehr bestehe, wenn Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung nicht mehr geltend gemacht werden können. Insoweit genüge aber ein allgemeines Kontrollrecht des Mieters, die Klage auf Belegeinsicht hätte also vom Landgericht nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abgewiesen werden dürfen. Selbst wenn die Ausschlussklausel des Mietvertrags wirksam wäre kämen noch immer Ansprüche aus unerlaubter Handlung in Betracht, sodass ein Belegeinsichtsrecht nicht entfällt.

Aber selbst dann, wenn man die Frist von vier Wochen zur Belegeinsicht als Ausschlussregelung interpretieren würde wäre die Klausel nach Meinung des Oberlandesgerichts Hamm unwirksam, weil die Anerkenntnisfiktion des Mietvertrags, wonach die Abrechnung als anerkannt gilt, wenn der Mieter dieser nicht innerhalb einer weiteren Frist von vier Wochen unter Angabe von Gründen schriftlich widersprochen hat, nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm unwirksam ist. Die Unwirksamkeit würde dann auch die Frist für die Belegeinsicht erfassen, da beide Regelungen als Einheit zu sehen sind. Die im Mietvertrag vorgesehene Anerkenntnisfiktion ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, weil die Frist von vier Wochen für die Prüfung und Geltendmachung von Einwendungen zu kurz sei. Nach der eigenen Einlassung des Vermieters handelte es sich um umfangreiche Belege, sodass also auch eine umfangreiche Prüfung durchgeführt werden muss. Hinzu kommt, dass es – wie auch in der konkreten Sache geschehen – passieren könne, dass zwei Abrechnungen kurz hintereinander erteilt werden, sodass ein erhöhter Aufwand der Prüfung erforderlich sei. Eine Frist von nur vier Wochen sei zu kurz. Es könne durchaus vorkommen, dass Belegeinsicht erst am Ende der ersten Frist von vier Wochen gewährt werde, sodass der Mieter dann tatsächlich nur vier Wochen Zeit zur Prüfung der Belege und zur Geltendmachung von Einwendungen habe. Dies sei zu kurz.

Nach diesem rechtlichen Hinweis des Oberlandesgerichts Hamm anerkannte der Vermieter den klagweise geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Belegeinsicht.