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Kammergericht Berlin, Beschluss vom 18.09.2024 – 8 U 40/24 – „Mietvertrag einer GmbH für eine Wohnung des Geschäftsführers ist Geschäftsraummiete


Das Kammergericht Berlin hat sich mit einem Beschluss vom 18.09.2024 – 8 U 40/24 – mit der Abgrenzung von Wohnraummiete und Geschäftsraummiete befasst.

Eine GmbH schließt mit einem Vermieter einen Mietvertrag über eine Wohnung für den Geschäftsführer der GmbH. Für den Vertrag wird ein Vordruck für Wohnraummietverträge mit entsprechenden, dem Wohnraummietrecht entlehnten Regelungen (Kündigungsfristen für den Mieter wie im Wohnungsmietrecht, Regelungen zur Tierhaltung, Kaution usw.) verwendet. Der Vermieter erklärt die ordentliche Kündigung des Mietvertrags. Die Mieterin wendet ein, die Kündigung sei unwirksam, weil ein Wohnungsmietverhältnis gemäß § 573 BGB nur wirksam ordentlich gekündigt werden kann, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat und die vom Gesetz in § 573 Abs. 2 BGB (schuldhafte Pflichtverletzungen des Mieters; Eigenbedarf; Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung) geforderten Voraussetzungen einer Kündigung unstreitig nicht vorlägen. Mit diesen Einwendungen hat die Mieterin keinen Erfolg. Sowohl das Landgericht Berlin II als auch das Kammergericht im Berufungsverfahren sind der Auffassung, dass die Räumungsklage begründet ist, weil Geschäftsraummiete vorliegt, sodass es keines Kündigungsgrundes bedarf.

Entscheidend für die Einordnung eines Mietverhältnisses als Wohnraummiete ist nicht die Bezeichnung des Vertrages durch die Vertragsparteien oder ein etwaiger Wille der Beteiligten, sondern der Zweck, den der Mieter nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien mit der Anmietung vertragsgemäß verfolgt. Wohnraummiete liegt nur dann vor, wenn die Räume dem Mieter vertragsgemäß zur Befriedigung seiner eigenen Wohnbedürfnisse und/oder der Wohnbedürfnisse seiner Familie dienen sollen. Ob die vermieteten Räume tatsächlich zum Wohnen geeignet und letztlich auch zu Wohnzwecken genutzt werden, spielt dagegen für die Einordnung als Wohnraummietverhältnis keine Rolle. Grundsätzlich ist es durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien gewollt haben. Ist aber wie in der streitgegenständlichen Sache der Mieter eine juristische Person (eine GmbH), bedarf es in der Regel schon keiner weitergehenden Auslegung des Vertrages, weil eine juristische Person schon begrifflich weder selbst wohnen noch nahe Angehörige haben kann, sodass auch der Vertragszweck nicht auf die Erfüllung eigener Wohnbedürfnisse gerichtet sein kann (BGH, Urteil vom 16.07.2008, VIII ZR 282/07, juris Rn. 12). Dies gilt selbst dann, wenn eine GmbH Räume anmietet, um diese ihrem eigenen Geschäftsführer als Wohnraum zu überlassen. Zwar ist es rechtlich möglich und zulässig, dass die Vertragsparteien eines Gewerbemietverhältnisses vereinbaren, dass Mieterschutzvorschriften des Wohnungsmietrechts gelten sollen. Allein aus dem Umstand, dass ein Formular für die Wohnungsmiete verwendet wurde, lässt sich ein übereinstimmender Wille der Vertragsparteien nicht entnehmen, dass die Geltung der Mieterschutzvorschriften stillschweigend vereinbart werden sollte. Ein solcher übereinstimmender Wille der Parteien ergibt sich nicht allein aus der Bezeichnung des Vertrags als Wohnraummietvertrag und auch nicht durch die Verwendung eines Vertragsvordrucks für Mietverhältnisse über Wohnraum. Erforderlich wäre vielmehr das Zutagetreten einer bewussten Einigung der Vertragsparteien, dass der Vertrag entgegen der gesetzlichen Wertung dem Wohnraummietrecht unterfallen soll. Denn konkludente Willenserklärungen setzen das Bewusstsein voraus, dass eine Willenserklärung überhaupt möglicherweise erforderlich ist, hier also das Bewusstsein der Vertragsparteien, dass auf den Vertrag nach der gesetzlichen Wertung grundsätzlich Geschäftsraummietrecht Anwendung findet und dass es deshalb für die Geltung einzelner oder aller Mieterschutzvorschriften oder des Wohnraummietrechts insgesamt einer besonderen Vereinbarung bedurfte. Ein solches übereinstimmendes Bewusstsein der Vertragsparteien war aber in der streitgegenständlichen Sache nicht ersichtlich. Insbesondere kann ein solches Bewusstsein nicht der kommentarlosen Verwendung eines Vordrucks für Wohnraummietverträge mit den entsprechenden, dem Wohnraummietrecht entlehnten Regelungen entnommen werden, da dies auch darauf zurückzuführen sein kann, dass nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien für die vermieteten Räume im Ergebnis eine Nutzung als Wohnraum vorgesehen war und sich die Parteien über das anwendbare Recht im Übrigen schlicht keine Gedanken gemacht haben oder dass sie sogar – was nahe liegt – irrtümlich davon ausgegangen sind, dass der Vertrag dem Wohnraummietrecht unterliegt. In diesem Fall hätte ihnen aber das Bewusstsein gerade gefehlt, mit der Verwendung eines Vordrucks für Mietverhältnisse über Wohnraum eine rechtlich relevante Willenserklärung zum anwendbaren Recht abzugeben. Denn die bloße stillschweigende Billigung einer von beiden Parteien irrtümlich als vorgegeben angenommenen Rechtslage kann einen tatsächlich erforderlichen rechtsgeschäftlichen Willen zur Anwendung der irrtümlich für anwendbar gehaltenen Regelungen und dessen Erklärung nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 10.05.1968, V ZR 221/64 juris Rn. 25).

An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn die Mieterin (die GmbH) gewusst hätte, dass nach der gesetzlichen Regelung Geschäftsraummietrecht anwendbar ist. Da die Anwendung der Kündigungsschutzregelungen des Wohnraummietrechts für den Vermieter erheblich nachteiliger ist als die Anwendung von Geschäftsraummietrecht konnte und durfte die GmbH, selbst wenn ihr bei Abschluss des Vertrages bewusst gewesen wäre, dass der Vertrag nach der gesetzlichen Wertung dem Mietrecht für Geschäftsraummiete unterstehen würde, ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte oder Erklärungen allein die Verwendung eines Vertragsmusters für Wohnraummietverträge nach den Grundsätzen des Erklärungsempfängerhorizonts jedenfalls nicht dahin verstehen, dass der Vermieter damit von sich aus und ohne jegliche Forderung seitens der Mieterin ein seinen eigenen Interessen diametral entgegenlaufendes Angebot abgeben wollte, von dem anwendbaren Gewerberaummietrecht abzuweichen.