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BGH, Urteil vom 27.02.2019 – XII ZR 63/18 – “Kurze Verjährungsfrist bei Ansprüchen des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache“


Eine der gefährlichsten Vorschriften im Mietrecht ist die Regelung in § 548 Abs. 1 BGB, wonach Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten verjähren. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Mit Urteil vom 27.02.2019 – XII ZR 63/18 befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um den Lauf der kurzen Verjährungsfrist in Gang zu setzen.

Vorab ist zu betonen, dass die Verjährung grundsätzlich nur durch eine Klage oder eine sonstige in § 204 Abs. 1 BGB vorgesehene Rechtsverfolgung wie etwa einem selbstständigen Beweisverfahren gehemmt werden kann. Nicht ausreichend ist hingegen die bloße Aufforderung, Schäden zu beheben oder Schadensersatz zu leisten.

Bei dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es über einen Mietvertrag über ein Gebäude, das das Land Brandenburg als Gericht nutzte. Das Land Brandenburg hatte das Mietverhältnis aus wichtigem Grund zum 30.09.2012 gekündigt. Der Mietvertrag sah in § 16 Abs. 1 vor, dass das Land Brandenburg verpflichtet war, die Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses vollständig geräumt, gesäubert und in fachgerecht renoviertem und instandgesetzten Zustand zurückzugeben oder auf Verlangen der Vermieterin einen angemessenen Geldbetrag zu zahlen. Gemäß § 16 Abs. 2 MV hatte die Mieterin außerdem von ihr vorgenommene Einbauten zu entfernen und den ursprünglichen Zustand auf ihre Kosten handwerksgerecht wiederherzustellen, wobei jedoch die Vermieterin nach § 16 Abs. 2.1 MV berechtigt war, gegen Erstattung des Zeitwerts den Verbleib der Einbauten zu verlangen und diese zu übernehmen. Im Oktober 2012 räumte das Land Brandenburg das Objekt, ohne die vorgenommenen Einbauten zu entfernen. Mit Anwaltsschreiben vom 09.11.2012 erklärte das Land Brandenburg gegenüber der Vermieterin, dass die Rückgabe der Mieträume ab sofort angebotenen werde. Vorgeschlagen wurde ein kurzfristiger Vor-Ort-Termin, der auch der Abstimmung der insbesondere gemäß § 16 des Mietvertrags denkbaren Interessenlagen dienen sollte. Nach einer gemeinsamen Besichtigung am 14.12.2012 und Besprechung am 18.12.2012 teilte die Vermieterin dem Land Brandenburg mit Schreiben vom 24.01.2013 mit, welche Mietereinbauten noch zurückgebaut und welche Instandsetzungsmaßnahmen noch durch die Mieterin durchgeführt werden müssten. Nach Durchführung dieser Arbeiten erfolgte die Rückgabe des Objekts am 08.02.2013 im Beisein beider Parteien, wobei die Vermieterin ein nicht unterschriebenes Protokoll fertigte. In der Folgezeit forderte die Vermieterin das Land Brandenburg auf, weitere Mängelbeseitigungsarbeiten durchzuführen. Dies lehnte das Land Brandenburg mit Schreiben vom 13.06.2013 endgültig ab. Die Vermieterin erhob am 08.07.2013 Klage auf Schadensersatz, die am 01.08.2013 zugestellt wurde. Das beklagte Land verteidigte sich unter anderem mit der Verjährungseinrede.

Das Oberlandesgericht Brandenburg wies die Klage mit der Begründung ab, eventuelle Ansprüche seien verjährt. Die Vermieterin habe sich aufgrund des Schreibens des beklagten Landes vom 09.11.2012, mit der die sofortige Rückgabe der Mietsache angeboten und ein kurzfristiger Vor-Ort-Termin vorgeschlagen worden sei, seit dem darauf folgenden Tag im Annahmeverzug befunden. Der Annahmeverzug der Vermieterin habe den Lauf der kurzen Verjährungsfrist gemäß § 548 Abs. 1 BGB ausgelöst. Der Rückgabe der Mietsache im Sinne einer Wiedererlangung des unmittelbaren Besitzes durch den Vermieter stehe es nämlich gleich, wenn sich der Vermieter selbst der Möglichkeit begebe, unmittelbare Sachherrschaft über das Mietobjekt zurückzuerlangen, indem er ein Angebot des Mieters auf Rückgabe der Schlüssel zurückweise. Hinge indessen der Verjährungsbeginn vom Willensentschluss des Vermieters ab, die Mietsache zurückzunehmen, konterkarierte dies den Willen des Gesetzgebers, die von § 548 BGB erfassten Ansprüche einer kurzen Verjährung zu unterwerfen. Darauf, ob die Mietsache am 10.11.2012 bereits vollständig geräumt war, komme es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht an. Somit sei bei Einreichung der Klage am 08.07.2013 die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB bereits abgelaufen gewesen.

Der Bundesgerichtshof teilt die Rechtsauffassung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts nicht und entscheidet, dass Schadensersatzansprüche der Vermieterin wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache nicht verjährt sind. Deshalb wurde das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten verjähren. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält (§ 548 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der Rückerhalt im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil er erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen. Zum anderen ist erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgibt. Dass der Vermieter vorübergehend die Möglichkeit erhält, während des Besitzes des Mieters die Mieträume besichtigen zu lassen, genügt nicht (so BGH NZM 2004, 98, 99; BGH NJW 2014, 684). Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Verjährung der von der Vermieterin erhobenen Ansprüche erst mit dem Ablauf des 08.02.2013 begonnen und ist der Verjährungsablauf durch die vor Ablauf von sechs Monaten erfolgte Klageerhebung gehemmt, denn die Vermieterin hat die unmittelbare Sachherrschaft über das Mietobjekt erst am 08.02.2013 durch förmliche Rückgabe und Aushändigung der Schließmittel zurückerhalten. Zuvor hatte die Mieterin den Besitz noch nicht vollständig und unzweideutig zugunsten der Vermieterin aufgegeben. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts ändert auch das Schreiben der Mieterin vom 09.11.2012 daran nichts. Die Vermieterin muss sich nicht aufgrund dieses Schreibens so behandeln lassen, als habe sie die Mietsache bereits zu diesem Zeitpunkt zurückgehalten. In Rechtsprechung und Literatur werden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt, wenn der Mieter dem Vermieter anbietet, die Mietsache zurückzuerhalten, dieser sie jedoch nicht zurücknimmt. Nach einer Auffassung sind die Bestimmungen über den Annahmeverzug heranzuziehen mit der Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist ausgelöst werde, sobald der Mieter die erfüllungstaugliche Rückgabe der geräumten Mietsache anbiete. Nach anderer Auffassung bleibt der Annahmeverzug mit der Rücknahme der Mietsache ohne Einfluss auf den Beginn der Verjährung, vielmehr könne nur die tatsächliche Besitzaufgabe durch den Mieter (z.B. durch Schlüsseleinwurf bei dem Vermieter) den Lauf der Verjährungsfrist auslösen, weil erst dadurch der Vermieter die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung der Mietsache erhalte, von der der Beginn der Verjährungsfrist abhänge. Schließlich wird vertreten, dass es – unabhängig vom Vorliegen eines Annahmeverzugs – der Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft durch den Vermieter gleichstehe, wenn dieser sich selbst der Möglichkeit begebe, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, etwa indem er ein Angebot des Mieters auf Übergabe der Schlüssel zurückweist. Die Beantwortung dieser Frage hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen. Auch im Urteil vom 27.02.2019 legt sich der Bundesgerichtshof nicht fest, sondern er führt aus, dass es keiner Entscheidung der Streitfrage bedarf. Denn es fehlt im konkreten Fall nicht nur an einer vollständigen und endgültigen tatsächlichen Besitzaufgabe durch den Mieter vor dem 08.02.2013, sondern der Mieter hat auch kein dahingehendes tatsächliches oder wörtliches Angebot gemacht. Mit Schreiben vom 09.11.2012 hat der Mieter keinen Rückerhalt der Mietsache im Sinne des § 548 BGB angeboten. Zwar ist darin die „Rückgabe der Mieträume ab sofort“ als angeboten bezeichnet. Damit war jedoch, wie sich aus dem weiteren Inhalt des Schreibens ergibt, nicht eine vorbehaltlose Besitzaufgabe zugunsten der Vermieterin gemeint. Vielmehr begehrte die Mieterin eine nähere Abstimmung mit der Vermieterin insbesondere bezüglich der gemäß § 16 MV bestehenden Interessenlagen, was sich einerseits auf die Renovierungspflicht oder ersatzweise Geldzahlung nach § 16 Abs. 1 MV bezog, andererseits auf die Entschließung der Vermieterin hinsichtlich des Entfernens der Einbauten oder deren Verbleib gegen Zeitwerterstattung gemäß § 16 Abs. 2 MV. Dem Schreiben vom 09.11.2012 kann nicht entnommen werden, dass die Mieterin die Sachherrschaft über das Objekt bereits vor der Klärung dieser Fragen vollständig und endgültig aufgeben wollte. Auch am 14.12.2012 hatte die Vermieterin die Mietsache nicht im Sinne des § 548 Abs. 1 BGB zurückerhalten. Zwar hat an dem Tag eine gemeinsame Besichtigung stattgefunden, die in eine nachfolgende Besprechung am 18.12.2012, eine Entschließung der Vermieterin und Aufforderung zur Durchführung von Arbeiten vom 14.01.2013 sowie deren anschließende Vorname durch die Mieterin mündete. Während der gesamten Zeit war jedoch die Vermieterin nicht im ungestörten Besitz der Mietsache, sondern diesen hatte noch die Mieterin.

Der Bundesgerichtshof folgt auch nicht der Hilfserwägung des Oberlandesgerichts, das die Zurückweisung der Klage auch darauf stützte, dass der geltend gemachte Schaden nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei, weil sich dem Sachvortrag der Vermieterin nicht entnehmen lasse, welches Alter bzw. welche Qualität und Güte der in den Räumen verlegte Teppichboden gehabt habe. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass das Oberlandesgericht das rechtliche Gehör der Vermieterin verletzt habe. Die Vermieterin habe nämlich vorgetragen, dass es sich bei dem – inzwischen ausgetauschten – Teppichboden um einen solchen der Marke „NDT-Qualität flash Fb 590“ gehandelt habe, und weiterhin Sachverständigengutachten dafür angetreten, dass der Teppich bei regulärer Benutzung noch eine Restnutzungsdauer von zehn Jahren gehabt hätte, was bereits unter Zugrundelegung der bei Rückgabe gefertigten Fotodokumentation hätte gutachterlich festgestellt werden können. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass das Oberlandesgericht diesem Beweisanerbieten hätte nachgehen müssen und es nicht anging, der Beurteilung des Sachverständigen vorzugreifen, ob allein mit der Fotodokumentation ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine gutachterliche Beurteilung der Beweisfragen vorliegen.