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BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13 – “Kündigung wegen Kurzerkrankungen – Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)


Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Konstellation, in der der Arbeitnehmer über mehrere Jahre hinweg deutlich mehr als 30 Tage pro Kalenderjahr arbeitsunfähig erkrankt war, der Klage des Arbeitnehmers gegen eine darauf gestützte krankheitsbedingte (personenbedingte) Kündigung stattgegeben.

Dabei hat das Bundesarbeitsgericht zu Gunsten der Arbeitgeberin im Verfahren unterstellt, dass sie auch weiterhin mindestens für sechs Wochen jährlich Entgeltfortzahlung aufgrund von Arbeitsunfähigkeit zu zahlen haben wird. Die Kündigung war aber nicht die letzte, denkbare Maßnahme („ultima ratio“), deswegen nicht verhältnismäßig und damit unwirksam. Dem Arbeitgeber schadete es dabei insbesondere, dass er kein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt hat und damit nicht darlegen konnte, dass es keine Möglichkeit gab, die Kündigung durch angemessene, mildere Maßnahmen zu vermeiden. Die Arbeitgeberin hatte den Betriebsarzt eingeschaltet, den Arbeitnehmer aber weder zu einem förmlichen BEM eingeladen noch darauf hingewiesen, welche Daten dabei erhoben werden. Dabei bezeichnet das Bundesarbeitsgericht das BEM als einen

„rechtlich regulierten verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll…“.

Dazu gehört es unter anderem die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine Klärung zu versuchen.

Wird ein solches BEM nicht durchgeführt und bleibt denkbar, dass ein BEM ein positives Ergebnis gebracht hätte, das gemeinsame Suchen also Optionen zum Abbau der Fehlzeiten aufgezeigt hätte, muss sich der Arbeitgeber vorhalten lassen, er habe vorschnell gekündigt. Dabei ist das BEM selbst dann durchzuführen, wenn feststeht, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen am Arbeitsplatz nicht verändert werden können, da z.B. im entschiedenen Fall nicht ausgeschlossen war, dass ein Rehabilitationsbedarf des Arbeitnehmers erkannt worden wäre und dadurch die Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

Es ist jedem Arbeitgeber also dringend zu empfehlen, sich über Inhalt und Voraussetzungen des BEM kundig zu machen und gegebenenfalls – in mitbestimmten Betrieben – auch mit dem Betriebsrat Absprachen zu treffen, wie ein entsprechendes funktionierendes System installiert werden kann.