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Kammergericht, Urteil vom 13.01.2022 – 8 U 205/19 – “Kündigung wegen eines Schriftformmangels“


Ein „Evergreen“ mit immer neuen Varianten ist die ordentliche Kündigung eines langjährigen Mietvertrages wegen eines Schriftformmangels. Zwar kann bereits der ursprüngliche Mietvertrag an einem Schriftformmangel leiden, was insbesondere bei einer „Vermietung vom Reißbrett“ vorkommen kann, weil die Rechtsprechung strenge Anforderungen an die genaue Bezeichnung des Mietobjektes stellt, häufiger treten aber Schriftformmängel bei Mietvertragsnachträgen auf. Einen derartigen Fall hatte das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 13.01.2022 – 8 U 205/19 – zu entscheiden.

Die Mieter sind eine natürliche Person (Herr S.) und eine GmbH, vertreten durch die Geschäftsführerin (Frau G.). Der für eine Laufzeit von mehreren Jahren geschlossenen Mietvertrag wahrt die Schriftform. Im Verlaufe des Mietverhältnisses schließen die Parteien eine Ergänzungsvereinbarung, die auf Mieterseite von der Geschäftsführerin der GmbH mit einem Stempelaufdruck der GmbH unterzeichnet wird. Die Unterschrift des Herrn S. fehlt. Es gibt auch keinen Zusatz bei der Unterschrift der Geschäftsführerin Frau G., aus dem hervorginge, dass Frau G. nicht nur die GmbH, sondern auch Herrn S vertritt. Die Vermieterin erklärt die ordentliche Kündigung des Mietvertrages wegen eines Schriftformmangels und erhebt Räumungsklage, die vom Landgericht Berlin abgewiesen wird. Das Kammergericht ist anderer Auffassung und verurteilt die Mieter zur Räumung und Herausgabe, weil das Mietverhältnis wirksam ordentlich gekündigt worden sei, denn aufgrund des Schriftformmangels gelte das für viele Jahre abgeschlossene Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen, § 550 Abs. 1 BGB.

Das Kammergericht führt aus, dass der Vermieter gegen den Mieter einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Gewerbeflächen gemäß § 546 Abs. 1 BGB hat. Das Mietverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Vermieterin beendet worden. Die Ergänzungsvereinbarung ist nicht in der Schriftform des § 550 BGB geschlossen worden, sodass der Mietvertrag der Parteien für unbestimmte Zeit galt und ordentlich gekündigt werden konnte, §§ 550 S. 1, 542 Abs. 1 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere der Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Vertragsparteien – aus einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Vertragsurkunde ergibt (BGH NJW 2013, 3361). Nicht formbedürftig sind hingegen Abreden, die den Vertragsinhalt lediglich erläutern oder veranschaulichen (BGH ZMR 2009, 273). Grundsätzlich bedürfen auch Änderungen eines formbedürftigen und formgerecht abgeschlossenen Vertrages der Schriftform. Dies gilt insbesondere, wenn – wie vorliegend mit der Ergänzungsvereinbarung – eine Verlängerung der Vertragslaufzeit vereinbart wird (BGH NJW-RR 1990, 518). Dabei ist für die Einhaltung der Schriftform des § 550 BGB auch erforderlich, dass die Vertragsurkunde von beiden Parteien unterzeichnet ist (BGH NJW 2004, 2962, 2963 f.). Ob die Unterzeichnung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht erfolgt, ist hingegen für die Einhaltung der Schriftform unerheblich. Ob der Mietvertrag bereits mit dieser Unterzeichnung wirksam zustande kommt oder mangels Vollmacht des Unterzeichnenden erst noch der Genehmigung der von ihm vertretenen Partei bedarf, ist keine Frage der Schriftform, sondern des Vertragsschlusses (BGH NJW 2007, 3146, 3347). Ist die Urkunde im Falle einer Personenmehrheit nicht von allen Vermietern oder Mietern unterzeichnet, müssen die vorhandenen Unterschriften deutlich zum Ausdruck bringen, ob sie auch in Vertretung der nicht unterzeichnenden Vertragsparteien hinzugefügt wurden. Denn sonst lässt sich der vorliegenden Urkunde nicht eindeutig entnehmen, ob der Vertrag mit den vorhandenen Unterschriften auch für die und in Vertretung der anderen Vertragsparteien zustande gekommen ist oder ob die Wirksamkeit des Vertrages so lange hinausgeschoben sein soll, bis auch die weiteren Vertragsparteien ihn unterschrieben haben (BGH WM 2008, 1172, 1174). Dies hat der Bundesgerichtshof für die Gesellschafter einer GbR (BGH NJW 2004, 1103) und für die Mitglieder einer Erbengemeinschaft (BGH NJW 2002, 3189, 3391) entschieden. Ein Vertretungszusatz ist darüber hinaus immer dann erforderlich, wenn als Mieter oder als Vermieter mehrere Personen (etwa Eheleute) auftreten, von denen nur eine den Vertrag unterschrieben hat. Auch dann ist aus der bloßen Unterschrift noch nicht ersichtlich und damit auch nicht hinreichend bestimmbar, ob der Vertrag zugleich in Vertretung unterzeichnet wurde oder ob es noch der Unterschrift der weiteren Vertragsparteien bedarf (BGH NJW 1994, 1649, 1650 f.; BGH WM 2008, 1172, 1174). Ist die Vertretung der Vertragspartei durch die den Vertrag unterzeichnende Person allerdings auf andere Weise hinreichend bestimmbar, ist ein zusätzlicher Vertretungszusatz nicht erforderlich. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nur eine natürliche Person als Mieter oder Vermieter auftritt und eine andere Person den Vertrag unterschreibt. Dann kann deren Unterschrift auf der im Mietvertrag mit „Mieter“ oder „Vermieter“ gekennzeichneten Unterschriftszeile nur bedeuten, dass sie mit ihrer Unterschrift die Vertragspartei vertreten will. Das Vertretungsverhältnis wird in solchen Fällen deswegen auch ohne ausdrücklichen Vertretungszusatz hinreichend deutlich und die Schriftform ist dann auch ohne ausdrücklichen Vertretervermerk gewahrt (BGH NJW 2007, 3146 f. und BGH NJW 2005, 2225, 2226). Gleiches gilt, wenn der Vertrag auf Seiten einer als Mietvertragspartei genannten GmbH ohne nähere Kennzeichnung des Vertretungsverhältnisses unterschrieben worden ist (BGH NJW 2007, 3346 f.).

Angewandt auf den konkreten Fall nimmt das Kammergericht zutreffend an, dass nach diesen Grundsätzen die auf Mieterseite unterzeichnende Geschäftsführerin der GmbH, Frau G., die auf den Abschluss der Ergänzungsvereinbarung zum Mietvertrag gerichtete Willenserklärung nur im Namen der GmbH und nicht auch im Namen des Mitmieters Herrn S. abgegeben hat. Die die Ergänzungsvereinbarung auf Mieterseite unterzeichnende Geschäftsführerin der GmbH hat mit dem Stempelaufdruck der GmbH kenntlich gemacht, für diese den Vertrag schließen zu wollen (BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 35/11 – zu eine Unterschrift nur eines Gesellschafters einer GbR neben hinzugesetztem Firmenstempel). Dass die die Vereinbarung unterzeichnende Frau G. daneben auch den weiteren Mieter Herrn S. vertreten wollte, hat sie dagegen in keiner Weise, insbesondere nicht durch Anbringung weiterer Zusätze, kenntlich gemacht. Deshalb litt die Nachtragsvereinbarung an einem Schriftformmangel, sodass das gesamte Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und ordentlich kündbar ist.