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OLG Celle, Beschluss vom 20.09.2023 – 2 U 27/23 – „Keine rückwirkende Heilung eines Schriftformmangels“


Mit Beschluss vom 30.06.2023 – 2 U 27/23 – befasste sich das Oberlandesgericht Celle mit der Frage, ob ein Schriftformmangel des Mietvertrags rückwirkend (ex tunc) oder nur für die Zukunft (ex nunc) durch Abschluss eines Mietvertragsnachtrags geheilt werden kann. Darüber hinaus ist die Entscheidung auch in Bezug auf den richtigen Kündigungsadressaten bei einer unbekannten Gesamtrechtsnachfolge von Bedeutung.

Mietsache sind Räumlichkeiten in einem Klinikum. Vereinbart war eine Vertragslaufzeit von mehreren Jahren. Mieter war zunächst eine GbR, die nach dem Umwandlungsgesetz in eine GmbH umgewandelt wurde. Der Vermieter erklärt eine ordentliche Kündigung des Mietvertrags vom 26.04.2021 zum 31.12.2021 mit der Begründung, der Mietvertrag leide an einem Schriftformmangel, sodass der für die Dauer von mehreren Jahren geschlossene Mietvertrag gleichwohl gemäß § 550 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt und somit ordentlich kündbar ist. Das Kündigungsschreiben ist an die GbR gerichtet. Nach Zugang der Kündigung teilt die GmbH dem Vermieter mit, die Kündigung sei unwirksam, denn zwischenzeitlich sei Mieter durch Gesamtrechtsnachfolge aufgrund einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz die GmbH geworden. Das Oberlandesgericht leitet aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs her, dass dieser Einwand der GmbH unbegründet ist. Die Wirksamkeit der Kündigung folgt aus einer analogen Anwendung von       § 407 Abs. 1 BGB. Gemäß § 407 Abs. 1 BGB muss der neue Gläubiger jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Gemäß § 412 BGB findet diese Vorschrift auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes entsprechende Anwendung. Auch wenn § 412 BGB dem Wortlaut nach nicht Fälle einer Gesamtrechtsnachfolge erfasst, schließt dies aber nicht aus, dass in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob eine konkrete Bestimmung der §§ 398 ff. BGB nach ihrem Sinn und Zweck entsprechend anwendbar ist. Vorliegend ist eine solche analoge Anwendung von § 407 Abs. 1 BGB geboten. Im Anwendungsbereich von § 566 BGB, also einem Vermieterwechsel durch Grundstückserwerb, ist in Bezug auf rechtsgeschäftliche Handlungen des Mieters, wie beispielsweise eine Kündigung, anerkannt, dass § 407 BGB entsprechend anwendbar ist. So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23.02.2012 – IX ZR 29/11 – klargestellt, dass § 412 BGB auch für die Kündigungserklärung gilt und lediglich eine unmittelbare Anwendung der §§ 412, 407 Abs. 1 BGB im Anwendungsbereich von § 566 BGB mangels einer Rechtsnachfolge ausscheidet. Der Bundesgerichtshof hat dabei hervorgehoben, dass sich die Situation, in der sich der Mieter befindet, wenn er in Unkenntnis des Übergangs das Mietverhältnis gegenüber dem ursprünglichen Vermieter kündigt, sich nicht wesentlich von derjenigen eines Schuldners unterscheidet, dem der Forderungsübergang unbekannt geblieben ist. Habe dieser gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger eine Rechtshandlung in Unkenntnis des Übergangs vorgenommen, müsste sie der neue Gläubiger gegen sich wirken lassen. Das gelte auch für die gegenüber dem ursprünglichen Vermieter erklärte Kündigung, die dem neuen gegenüber wirksam sei. Insoweit bestehe eine planwidrige Regelungslücke, die durch die entsprechende Anwendung der §§ 412, 407 Abs. 1 BGB zu schließen sei. Habe der Mieter nichts von dem Eigentumsübergang gewusst, müsse seine Kündigung als wirksam angesehen werden. Der neue Eigentümer könne sich nicht darauf berufen, ihm gegenüber sei keine Kündigung erklärt worden. Für den vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Folglich war die gegenüber der GbR erklärte Kündigung wirksam, die GmbH kann sich nicht darauf berufen, ihr gegenüber sei keine Kündigung erklärt worden.

Die Mietvertragsparteien verhandeln über einen Mietvertragsnachtrag. Dieser Nachtrag wird vom Vermieter unterschrieben, vom Mieter jedoch längere Zeit nicht. Der Vermieter erklärte daraufhin wegen eines Schriftformmangels des ursprünglichen Mietvertrages die ordentliche Kündigung des Mietvertrages. Daraufhin unterzeichnet der Mieter den Mietvertragsnachtrag. Die entscheidende Rechtsfrage war nun, ob durch die Unterzeichnung des Mietvertragsnachtrags nach Zugang der ordentlichen Kündigung der Schriftformmangel des Mietvertrages nachträglich geheilt wurde. Das Oberlandesgericht Celle entscheidet, dass der Mietvertrag durch die ordentliche Kündigung wegen der Nichteinhaltung der Schriftform wirksam gekündigt wurde und dass der Schriftformmangel durch den Mietvertragsnachtrag auch nicht rückwirkend geheilt wurde. Hierbei war allerdings nicht maßgeblich, ob der Vermieter über die Unterzeichnung des Mietvertragsnachtrages durch den Mieter unterrichtet und die Erklärung des Mieters (die Unterzeichnung des Nachtrags) dem Vermieter vor Zugang der Kündigung zugestellt wurde. Zwar ist es für einen wirksamen Vertragsschluss erforderlich, dass die empfangsbedürftige Willenserklärung (die Unterzeichnung des Nachtrags durch den Mieter) der anderen Partei auch zugeht. Der Bundesgerichtshof legt jedoch § 550 BGB, also das Schriftformerfordernis bei Mietverträgen mit einer Dauer von mehr als einem Jahr, im Wege einer teleologischen Reduktion dahingehend aus, dass zur Wahrung der Schriftform die bloße Einhaltung der äußeren Form ausreicht. Es reicht also aus, wenn eine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde existiert, die den Inhalt des Mietvertrags vollständig und richtig wiedergibt. Dass der Mietvertrag vor oder erst nach Errichtung der Urkunde wirksam zustande kommt, schadet nicht (BGH NJW 2015, 2648). Es ist ferner anerkannt, dass der Mangel der Schriftform gemäß § 550 BGB durch eine spätere formgerechte Nachtragsvereinbarung geheilt werden kann. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass durch einen der gesetzlichen Form genügenden Nachtrag sogar ein insgesamt formwirksamer Mietvertrag entstehen kann, wenn der Ursprungsvertrag formunwirksam gewesen ist (BGH NJW 2009, 2195). Der Bundesgerichtshof betont, dass es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich sei, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfülle. Es genüge vielmehr, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werde (BGH, Urteil vom 04.11.2020 – XII ZR 104/19, Rn. 20). Zu berücksichtigen ist in diesen Fällen allerdings, dass bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die zweite Urkunde errichtet wird, eine ordentliche Kündigung wegen Nichteinhaltung der Schriftform ausgesprochen werden kann. Erst ab dem Moment, in dem eine dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügende Vertragsurkunde existiert, die den Inhalt des Mietvertrags vollständig und richtig wiedergibt, ist eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Denn die Errichtung der Urkunde entfaltet nur Wirkung ex nunc (also ab dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung) und nicht ex tunc (also nicht rückwirkend). Folglich hat in der streitgegenständlichen Sache der Vermieter wirksam ordentlich wegen eines Schriftformmangels gekündigt. Der Schriftformmangel wurde durch den Nachtrag nicht rückwirkend geheilt.