Project Description

BGH, Urteil vom 08.11.2016 – II ZR 304/15 – “Keine Einberufungsbefugnis des Geschäftsführers nach § 121 Abs. 2 S. 2 AktG


Der Kläger ist Gesellschafter der Beklagten, eines Familienunternehmens in der Rechtsform einer GmbH und hält einen Geschäftsanteil i.H.v. 49 %. In der Gesellschafterversammlung vom 07.03.2014 wurde der einzelvertretungsbefugte Geschäftsführer der beklagten GmbH, Herr B. L. als Geschäftsführer abberufen und der Kläger zum Geschäftsführer bestellt. Die dagegen erhobene Nichtigkeits- und Anfechtungsklage blieb ohne Erfolg, nachdem im Juni 2016 die Nichtzulassungsbeschwerde von B. L. zurückgewiesen wurde. Der Versuch des Klägers, die am 07.03.2014 gefassten Beschlüsse im Handelsregister eintragen zu lassen, blieb erfolglos. Das Landgericht Köln hat jedoch durch Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren B. L. untersagt, die Geschäfte der Beklagten zu führen und die Beklagte zu vertreten, sofern der Kläger nicht zuvor schriftlich zugestimmt hat. Zudem wurde bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Anfechtungsverfahren die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht dahingehend eingeschränkt, dass mit sofortiger Wirkung nur noch Gesamtvertretungsmacht und Gesamtgeschäftsführungsbefugnis aller Geschäftsführer der Beklagten besteht.

  1. L., handelnd als Geschäftsführer der Beklagten, lud den Kläger mit einem Schreiben vom 11.06.2014 zu einer Gesellschafterversammlung am 20.06.2014 ein. Dort wurde beschlossen, dass der Kläger als Geschäftsführer abberufen und ein Herr P. L. zum Geschäftsführer bestellt wird. Der Kläger rügte die fehlende Einberufungsbefugnis von B. L.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die am 20.06.2014 gefassten Beschlüsse angegriffen. Das Oberlandesgericht Köln hat die Beschlüsse für nichtig erklärt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass die fehlende Befugnis zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung zur Unwirksamkeit der Einladung und Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse analog § 241 Nr. 1 Aktiengesetz führt. Eine derartige Einberufungsbefugnis stand B. L. nämlich nicht zu. Dieser ist in der Versammlung vom 07.03.2014 abberufen worden, was rechtskräftig feststeht, so dass B. L. nicht gemäß § 49 GmbHG (dieser regelt die Einberufungsbefugnis der Geschäftsführer) einberufungsbefugt war. Auch eine Einberufungsbefugnis nach § 50 Abs. 3 GmbHG schied aus, da B. L. das dortige Verfahren nicht eingehalten hat.

Die Einberufungsbefugnis ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG. Dort ist geregelt, dass Personen, die in das Handelsregister als Vorstand eingetragen sind, als einberufungsbefugt gelten. § 121 Abs. 2 S. 2 AktG fingiert im Interesse der Rechtssicherheit die Vorstandseigenschaft von zu Unrecht im Handelsregister eingetragenen Vorstandsmitgliedern. Die Einladung unter Mitwirkung solcher Personen soll nicht zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führen und verhindern, dass Aktionäre die Wirksamkeit der Einladung in Zweifel ziehen, indem sie sich gegen die Bestellung des eingetragenen Vorstandsmitglieds wenden. In einer Aktiengesellschaft sind die Aktionäre in die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern in der Regel nicht eingebunden. Aus diesem Grund besteht auch ein Interesse der Aktionäre daran, aufgrund der Eintragung im Handelsregister die Berechtigung zur Einberufung zu überprüfen und so jedenfalls insoweit Rechtssicherheit erlangen zu können. Dieser Gesichtspunkt kommt bei der Einberufungsbefugnis des Geschäftsführers aber nicht zum Tragen. Der Bestellung bzw. Abberufung von Geschäftsführern stehen die Gesellschafter einer GmbH näher als die Aktionäre bei der Bestellung und Abberufung eines Vorstandes. Der Vorstand der Aktiengesellschaft wird vom Aufsichtsrat ohne unmittelbare Mitwirkung der Aktionäre bestellt und abberufen (§ 84 Aktiengesetz). Die Bestellung eines Geschäftsführers obliegt aber den Gesellschaftern selbst (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Auch richtet sich die Einladung zur Gesellschafterversammlung nicht an einen anonymen, sondern an eine namentlich bekannten Gesellschafterkreis und erfolgt schriftlich, nicht durch Bekanntmachung. Die Stellung eines GmbH-Gesellschafters ähnelt damit weniger als die anonymen Aktionäre derjenigen außenstehender Dritter. Auch die analoge Anwendung von § 241 Aktiengesetz im GmbH-Recht, der auf § 121 Abs. 2-4 AktG verweist, vermag eine Analogie nicht zu begründen. Denn ob und inwieweit eine analoge Anwendung einer Norm in Betracht kommt ist für jede Norm eigenständig zu prüfen. Der Norm des § 241 AktG liegt zudem ein anderer Regelungscharakter zu Grunde als der Norm des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG.

Demnach wurden die Beschlüsse in der Versammlung vom 20.06.2014 zu Recht für nichtig erklärt. Der Bundesgerichtshof hat damit den Streit entschieden, wonach die auf das Aktienrecht abgemünzte Einberufungsbefugnis des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG nicht auf Geschäftsführer einer GmbH übertragbar ist und den Unterschied zwischen dem GmbH-Recht und dem Aktienrecht unterstrichen.