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Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.2018 – V ZR 221/17 – “Keine bedingte Feststellung eines Beschlusses möglich“
Die Parteien des Rechtsstreits sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Gebäude wurde 1909 errichtet und 1996 in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die beklagten Eigentümer planten verschiedene bauliche Änderungen, insbesondere an den Dachgauben. Der Verwalter übersandte den Wohnungseigentümern eine Beschlussvorlage vom 25.02.2013, mit der unter Fristsetzung bis zum 08.03.2013 zur Abstimmung gestellt wurde, ob die Beklagten u. a. die Dachgauben entfernen und andere an deren Stelle setzen dürfen. Ein Wohnungseigentümer stimmte mit Nein. Am 12.03.2013 zog er seine Stimme zurück und stimmte mit Ja. Am 15.03.2013 teilte der Verwalter den Wohnungseigentümern diese Entwicklung mit. Zugleich wurde mitgeteilt, dass der Beschluss eigentlich abgelehnt ist, die Verwaltung jedoch den Beschlussantrag trotzdem als angenommen werten wird, wenn bis zum 24.03.2013 kein Wohnungseigentümer widerspricht. Ein Widerspruch wurde nicht erhoben. Die Beklagten führten in der Folge die Umbaumaßnahmen entsprechend der Beschlussvorlage durch.
Die Kläger verlangen von den Beklagten die Beseitigung der errichteten Gaube und die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes. Die Kläger scheitern in allen Instanzen. Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass ein Anspruch der Kläger auf Beseitigung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB und 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG nicht vorliegt. Eine bauliche Änderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG, die nachteilhaft ist, liegt zwar vor, sodass alle Eigentümer zustimmen mussten. Eine solche zustimmende Beschlussfassung ist auch nicht erfolgt. Denn dem im schriftlichen Verfahren zur Abstimmung gestellten Beschluss haben nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt. Es fehlt bereits an einer wirksamen Verkündung eines auf dieser Grundlage gefassten Beschlusses. Denn im schriftlichen Verfahren kommt ein Beschluss erst mit der Feststellung durch eine an alle Wohnungseigentümer gerichteten Mitteilung des Beschlussergebnisses zustande. Eine Feststellung des Beschlussergebnisses ist nach Ablauf der von der Verwaltung mitgeteilten Frist für den Widerspruch aber unterblieben.
Das Schreiben des Verwalters vom 15.03.2013 ist auch nicht als eine – durch den Widerspruch eines Wohnungseigentümers – auflösend bedingte Feststellung eines Beschlussergebnisses anzusehen. Wegen der konstitutiven Wirkung die diese Feststellung hat, ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine verbindliche Feststellung erforderlich. Denn der Wohnungseigentümer hat nur eine einmonatige Anfechtungsfrist und ist auf diese klare Feststellung angewiesen. Daher ist eine solche Feststellung unter einer Bedingung nicht möglich.
Trotzdem kann der Rückbau nicht gefordert werden. Denn in der Sache selbst lag die Zustimmung aller Wohnungseigentümer, wenn auch nicht in einem Beschluss festgehalten, vor. Der Bundesgerichtshof hat auch nach der Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahr 2007 es stets offengelassen, ob die Zustimmung der Wohnungseigentümer zu einer baulichen Veränderung nur durch einen förmlichen Beschluss möglich ist oder die Zustimmung auch außerhalb eines Beschlussverfahrens erfolgen kann. Auch im vorliegenden Fall brauchte der Bundesgerichtshof eine Entscheidung dieser Frage nicht herbeizuführen. Denn das Vorgehen der Kläger verstößt gegen Treu und Glauben, nachdem ihr Verhalten widersprüchlich ist. Denn sie verlangen die Rückgängigmachung einer Baumaßnahme, der sie und alle anderen Wohnungseigentümer vorher zugestimmt haben. Zwar ist nicht jeder Widerspruch zwischen zwei Verhaltensweisen als eine unzulässige Rechtsausübung zu werten. Ein widersprüchliches Verhalten ist aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Entscheidend ist die Abwägung aller Umstände des Einzelfalles. In diesem Fall liegen die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben vor. Die Beklagten haben im Vertrauen auf die Zustimmung aller Eigentümer die baulichen Maßnahmen in der erkennbaren Annahme durchgeführt, dass wohnungseigentumsrechtlich alles seine Richtigkeit hat und ein späterer Rückbau nicht mehr verlangt werden kann. Dieses Vertrauen ist auch schutzwürdig. Denn es musste sich den Beklagten nicht aufdrängen, dass der von dem Verwalter initiierte Beschluss nicht zustande gekommen ist. Auf Seiten der Kläger sind demgegenüber keine anerkennenswerten Gründe ersichtlich, die ihr Rückbauverlangen trotz der den Beklagten hierdurch entstehenden Nachteile rechtfertigen könnte.