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OLG Brandenburg, Urteil vom 30.09.2019, 3 U 73/18 – “Kein Rückforderungsanspruch des Mieters, wenn er die Miete trotz Kenntnis eines Mangels vorbehaltlos zahlt


Das Oberlandesgericht Brandenburg hat mit Urteil vom 10.09.2019 – 3 U 73/18 – entschieden, dass ein Mieter nicht berechtigt ist, vorbehaltlos bezahlte Miete mit der Begründung zurückzuverlangen, die Mietsache sei mangelhaft gewesen.

Gegenstand des Mietvertrags war ein Gärtnereibetrieb mit einem nicht beheizbaren Gewächshaus. Der Vermieter ließ dieses Gewächshaus im Mai 2014 abreißen. Der Mieter zahlte die Miete gleichwohl vorbehaltlos in voller Höhe fort. Erst mit anwaltlichem Schreiben vom 11.08.2015 machte der Mieter geltend, die Mietsache sei mangelhaft und er werde deshalb weitere Mieten nur unter dem Vorbehalt gegebenenfalls bestehender Minderungsansprüche zahlen. Mit der Klage begehrt der Mieter Rückzahlung der hälftigen Miete für die Zeit ab Mai 2014. Hinsichtlich der Mieten für die Zeit von Mai 2014 bis August 2015 wird die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass einem Rückforderungsanspruch bereits die Vorschrift des § 814 BGB entgegenstehe. § 814 BGB ordnet an, dass ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch dann ausgeschlossen ist, wenn der Zahlende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Ausgeschlossen ist die Anwendung des § 814 BGB allerdings, wenn die Leistung unter Vorbehalt erbracht und angenommen wird. Da der Vorbehalt erst mit Anwaltsschreiben vom 11.08.2015 erklärt wurde, waren Rückforderungsansprüche des Mieters wegen der von ihm behaupteten Mangelhaftigkeit der Mietsache von vornherein gemäß § 814 BGB nicht gegeben. Die Kenntnis der Nichtschuld im Sinne von § 814 BGB umfasst zwar nicht nur die Tatumstände, aus denen sich ergibt, dass der Leistende nicht verpflichtet ist, sondern auch, dass er weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Der Leistende muss also aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Die Frage, ob gemessen an diesen Maßstäben ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB wegen Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen ist, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Zweifel daran, dass diese Voraussetzung vorliegt, gehen zulasten des darlegungs- und beweispflichtigen Leistungsempfängers. Die übliche Rechtskenntnis in einschlägigen Kreisen kann dabei zu einem Anscheinsbeweis führen. Im Regelfall ist beim heutigen Kenntnisstand der beteiligten Mieterkreise von deren Rechtskenntnis einer Minderungsbefugnis auszugehen und damit die Vorschrift des § 814 BGB anzuwenden (so auch KG Berlin, Urteil vom 11.09.2014, 8 U 77/13 unter Hinweis auf BGH NJW 2003, 2601, 2603).

Für den Zeitraum ab September 2015 greift § 814 BGB nicht mehr, da der Mieter ab September die Miete unter Vorbehalt einer möglichen Minderung gezahlt hat. Der Vermieter kann sich insoweit auch nicht auf Verwirkung berufen. Es fehlt insoweit jedenfalls am sogenannten Umstandsmoment, das voraussetzt, dass sich der Verpflichtete aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben muss, dieser werde sein (vermeintliches) Recht nicht mehr ausüben. Darüber hinaus muss sich der Verpflichtete aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Geltendmachung des Rechts unzumutbare Nachteile entstünden. Diese Voraussetzungen liegen aufgrund des vom Mieter erklärten Vorbehalts nicht vor. Allerdings scheiterte die Klage hinsichtlich der Mieten ab September 2015 daran, dass das Oberlandesgericht das Vorhandensein eines Mangels mit der Begründung verneinte, das unbeheizte Gewächshaus sei bereits bei Mietvertragsabschluss in einem Zustand gewesen, der eine gärtnerische Nutzung nicht zugelassen habe, sodass der Abriss des Gewächshauses nicht zu einem Mangel der Mietsache geführt habe.