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OLG Dresden, Beschluss vom 27.02.2024, 5 U 2077/23 – „Immer wieder: Schriftformmängel“
Wird ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr geschlossen, muss die gesetzliche Schriftform gewahrt werden. Schriftformmängel führen dazu, dass der befristete Mietvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt und ordentlich kündbar ist, jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Mietsache (§ 550 BGB). Trotz der mit Schriftformmängeln verbundenen gravierenden Rechtsfolgen kommen in der Praxis erstaunlich häufig Schriftformfehler vor. Richtig ist zwar, dass Schriftformmängel durch einen formwirksamen Nachtrag geheilt werden können. Dass das aber nicht einfach ist, zeigt der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 27.02.2024, 5 U 2077/23.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden betrifft einen Gewerbemietvertrag über Räume in Leipzig, die zum Betrieb eines Versicherungsfachgeschäftes genutzt wurden. Vermieter ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehend aus den Gesellschaftern Wohlers und Rams. Zur Mietzeit war vereinbart:
- „Das Mietverhältnis beginnt spätestens am 01.09.2003 und wird für die Dauer von drei Jahren, also bis zum 31.08.2006 fest abgeschlossen. Es verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn eine der Parteien nicht spätestens drei Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung der Mietzeit widerspricht. Sollten die Mieträume vom Vermieter schon früher zur Verfügung gestellt werden, beginnt das Mietverhältnis entsprechend früher (frühestens ab 01.05.2003). Die Dreijahresfrist beginnt ab dem tatsächlichen Mietbeginn.
- Setzt der Mieter den Gebrauch der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit fort, so gilt das Mietverhältnis nicht als verlängert. Die Fortsetzung oder Erneuerung des Mietverhältnisses nach seinem Ablauf muss schriftlich vereinbart werden.“
Der Mietvertrag vom 28.03.2003 wurde vom Mieter und auf Vermieterseite allein von Herrn Wohlers, nicht aber von Herrn Rams unterschrieben.
Am 05.09.2012 unterzeichneten der Mieter und Herr Wohlers als Rechtsnachfolger der auf ihn angewachsenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen als „Nachtrag 1 zum Mietvertrag vom 03.03.2003“ bezeichneten Nachtrag, in welchem die Vorauszahlung auf die Nebenkosten angehoben wurde. Am 04.04.2016 unterzeichneten der Mieter und Herr Wohlers einen weiteren Nachtrag, welcher wiederum als „Nachtrag 1 zum Mietvertrag vom 05.03.2003“ bezeichnet wurde und eine Anhebung der vereinbarten Miete vorsah.
Der Kläger trat durch Erwerb des Grundstückes mit Eintragung als Eigentümer im Grundbuch am 01.03.2023 auf Vermieterseite in den mit dem Mieter geschlossenen Mietvertrag ein. Mit Schreiben an den Mieter vom 23.05.2023 erklärte der Kläger, er widerspreche einer Verlängerung des Mietverhältnisses und kündige das Mietverhältnis fristgerecht zum 31.12.2023. Der Kläger macht geltend, das Mietverhältnis sei wegen eines Schriftformmangels ordentlich kündbar. Der Beklagte wendet ein, der Schriftformmangel sei durch die Nachträge geheilt worden. Darüber hinaus könne das Mietverhältnis aufgrund der in der Verlängerungsklausel des Mietvertrags getroffenen Regelung nicht zum 31.12.2023, sondern nur zum 30.04.2024 gekündigt werden, da das Mietverhältnis am 01.05.2003 begonnen habe und der Mietvertrag nur eine Beendigung unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ablauf eines Mietjahres vorsehe.
Das Landgericht Leipzig hat den Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Gewerberäume an den Kläger zum 31.12.2023 verurteilt. Mit Beschluss vom 27.02.2024 führte das Oberlandesgericht Dresden aus, dass die hiergegen gerichtete Berufung offensichtlich unbegründet sei, sodass der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Die Berufung des Mieters hat keine Aussicht auf Erfolg, denn der Kläger hat das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist aus § 580a Abs. 2 BGB („Bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume ist die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig.“) wirksam zum 31.12.2023 gekündigt. Für die Kündigungsfrist findet nicht die Regelung aus der Verlängerungsklausel des Mietvertrags Anwendung, weil der Mietvertrag den Anforderungen der gesetzlichen Schriftform aus §§ 550, 578 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB nicht genügt, mit der Folge, dass anstelle der Verlängerungsklausel des Mietvertrags die gesetzliche Kündigungsfrist gilt. Auf den ursprünglich auf drei Jahre befristeten Mietvertrag vom 28.03.2003 findet die Regelung zur gesetzlichen Schriftform aus §§ 550, 578 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB Anwendung. Die Wahrung der gesetzlichen Schriftform erfordert es, dass sich die wesentlichen Vertragsbedingungen, zu denen insbesondere der Mietgegenstand, die Höhe der Miete und die Dauer sowie die Parteien des Mietverhältnisses zählen, aus der Vertragsurkunde ergeben (BGH NJW 2013, 3361 Rn. 21). Diesen Anforderungen wird der Mietvertrag vom 28.03.2003 in Bezug auf die Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Vermieterin nicht gerecht. Wird nämlich eine der Vertragsparteien des Mietvertrags, hier die Vermieterin als GbR, durch eine Mehrzahl an Personen, hier durch ihre Gesellschafter, vertreten, so ist in dem Falle, dass nur eine der zur Vertretung berufenen Personen den Mietvertrag unterzeichnet, die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn die Unterschrift den Hinweis enthält, dass das unterzeichnende Mitglied der Vielzahl von gemeinschaftlich Vertretungsberechtigten auch die anderen vertretungsberechtigten Mitglieder vertreten will, deren Unterschrift fehlt (BGH NJW 2013, 1082 Rn. 13 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird aber die Vertragsurkunde vom 28.03.2003 nicht gerecht. Sie ist allein von Herrn Wohlers als Gesellschafter unterzeichnet, ohne dass mit einem Vertretungszusatz die Vertretung sämtlicher Gesellschafter der GbR, also auch von Herrn Rams, kenntlich gemacht wird.
Der Verstoß der Mietvertragsurkunde vom 28.03.2003 gegen die gesetzliche Schriftform wird auch nicht durch den Nachtrag vom 04.04.2016 geheilt, welcher auf Vermieterseite von Herrn Wohlers unterzeichnet wurde, dem die GbR zu diesem Zeitpunkt angewachsen war. Zwar kann der Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform durch eine Nachtragsvereinbarung geheilt werden, wenn diese ihrerseits die gesetzliche Schriftform wahrt (BGH NJW 2009, 2195 Rn. 23 f.). Die Nachtragsvereinbarung führt aber nur dann zur Heilung des Schriftformverstoßes, wenn sie hinreichend deutlich auf den Ursprungsvertrag und auf die bisherigen Nachträge Bezug nimmt, die geänderten Regelungen aufführt und erkennen lässt, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags verbleiben soll (BGH NJW 2020, 1507 Rn. 19). Diesen Anforderungen an eine formgerechte Nachtragsvereinbarung wird der Nachtrag vom 04.04.2016 aber nicht gerecht. Er verweist zum einen nicht auf den Ursprungsvertrag vom 28.03.2003, sondern auf einen Mietvertrag vom 05.03.2003. Weiterhin verweist er nicht auf den Ursprungsmietvertrag und die bis dahin geschlossenen Nachträge, indem er sich selbst als „Nachtrag 1 zum Mietvertrag vom 05.03.2023“ bezeichnet. Den Nachtrag vom 05.09.2012, der seinerseits als „Nachtrag 1 zum Mietvertrag vom 05.03.2003“ bezeichnet ist, berücksichtigt der Nachtrag vom 04.04.2016 im Rahmen seiner Bezugnahme demzufolge nicht. Im Ergebnis ist die Nachtragsvereinbarung vom 04.04.2016 ihrerseits nicht formgerecht und kann deshalb den Verstoß des Ursprungsvertrag vom 28.03.2003 gegen die gesetzliche Schriftform nicht heilen.
Rechtsfolge des Verstoßes des Mietvertrags vom 28.03.2003 gegen die gesetzliche Schriftform ist nicht nur, dass das Mietverhältnis gemäß § 550 S. 1 BGB als für unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Vielmehr ist weiterhin eine im Mietvertrag vom 28.03.2003 vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn diese länger als die gesetzliche Kündigungsfrist aus § 580a Abs. 2 BGB ist (BGH, Urteil vom 30.01.2013, XII ZR 38/12). Diese Unwirksamkeit erfasst im vorliegenden Fall die sich aus der Verlängerungsklausel im Mietvertrag vom 28.03.2003 ergebende Kündigungsfrist. Die Verlängerungsklausel führt faktisch zu einer Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist aus § 580a Abs. 2 BGB, weil die Kündigung nicht zu Beginn jedes Kalendervierteljahres erfolgen kann, sondern nur drei Monate vor dem jeweils jährlich eintretenden Vertragsende. Die vom Kläger im Mai 2023 ausgesprochene und vor dem dritten Werktag des dritten Quartals des Jahres 2023 dem Beklagten zugegangene Kündigung könnte nach der Regelung des Mietvertrags erst zum 30.04.2024 wirksam werden, während die Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfrist aus § 580a Abs. 2 BGB zu einer Mietvertragsbeendigung bereits zum 31.12.2023 führte. Die mit der vertraglichen Regelung verbundene Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist aus § 580a Abs. 2 BGB ist infolge des Schriftformverstoßes des Mietvertrags vom 28.03.2003 unwirksam.