Project Description

BGH, Urteil vom 18.11.2014 – II ZR 231/13 – “Haftung des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife


Bei Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, in welchen kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, dürfen die organschaftlichen Vertreter (Geschäftsführer oder Vorstände) nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich keine Zahlungen für die Gesellschaft leisten, wenn sie sich einem Haftungsanspruch (u.a. § 130a HGB und § 64 GmbHG) nicht aussetzen wollen. Grund der Haftung ist die eingetretene Verkürzung der Masse, die im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger verhindert werden soll. Der Bundesgerichtshof hat am 18.11.2014 entschieden, dass die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife entfällt, wenn die durch die Zahlungen verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. Dabei hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass der als Ausgleich erhaltene Gegenstand nicht noch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden sein muss, sondern maßgeblich allein für die Bewertung der Zeitpunkt ist, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird.

Im konkreten Fall hatte der Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG nach Abschluss einer Rahmenvereinbarung über einen Darlehensvertrag mit der Muttergesellschaft in Höhe eines Betrages von EUR 150.000,00 am 28.08.2009 und Eintritt der Zahlungsunfähigkeit am 29.09.2009 den Betrag von EUR 150.000,00 abgerufen, der an die Schuldnerin ausbezahlt wurde. Am 09.10.2009 zahlte die GmbH & Co. KG den Betrag von EUR 150.000,00 zurück. Am 16.10.2009 wurden erneut EUR 150.000,00 als Darlehen an die GmbH & Co. KG überwiesen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG forderte der Insolvenzverwalter vom Geschäftsführer der Komplementärin der GmbH & Co. KG die Zahlung von EUR 150.000,00. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, das Oberlandesgericht wies die Klage dagegen ab und ließ die Revision zu.

Die Revision des klagenden Insolvenzverwalters wurde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen.

Denn § 130 a HGB (in Verbindung mit § 177a S. 1 HGB, da eine Kommanditgesellschaft vorlag) bezweckt eine Masseverkürzung zu verhindern und dient nicht der Massebereicherung. Wird demnach die Masseverkürzung anderweitig ausgeglichen, ist der Zweck von § 130 a HGB erreicht, so dass für die Haftung des Organs kein Raum mehr vorliegt. Dabei ist nicht jeder beliebige Massezufluss als Ausgleich der Masseschmälerung zu berücksichtigen, vielmehr ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss auch der Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Der Zweck der Vorschrift macht es jedoch nicht erforderlich, dass der Gegenstand des Massezuflusses auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden ist. Es ist daher nicht erforderlich, dass die Gegenleistung ins Gesellschaftsvermögen gelangt ist und dort auch verbleibt. Denn die Masseverkürzung ist ausgeglichen und die Haftung des Organs entfällt bereits dann, wenn ein ausgleichender Wert endgültig in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist. Wenn dieser Ausgleich, danach wieder das Gesellschaftsvermögen verlässt, führt dies gegebenenfalls nur zu einem neuen Erstattungsanspruch nach § 130 a HGB. Denn wird der erfolgte Ausgleich der ersten Masseverkürzung unbeachtet gelassen, würde dies zu einer Vervielfachung des zu erstattenden Betrages kommen, obwohl die Masse nur einmal verkürzt wurde, was über den Zweck der Vorschrift, eine Masseverkürzung zu verhindern hinausgehen würde. Es würde dann zu einer Massebereicherung kommen.

Im konkreten Fall wurde die Masseverkürzung vom 09.10.2009 dadurch ausgeglichen, dass der zurückgezahlte Betrag am 16.10.2009 wieder auf das Konto der Schuldnerin gelangte. Die Zahlung beruhte auf der Vereinbarung vom 28.08.2009, die eine wiederkehrende Inanspruchnahme des Darlehens innerhalb des Limits ermöglichte, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Rückzahlung vom 09.10.2009 bestand, da erst diese den erneuten Abruf ermöglichte. Sie war demnach wirtschaftlich der Masseschmälerung zuzuordnen.