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OLG Hamm, Urteil vom 11.08.2022 – 10 O 68/22 – “Ehegatten können einen Erbvertrag durch ein gemeinschaftliches Testament aufheben“
Grundsätzlich kann jeder frei über seinen Nachlass verfügen und bereits errichtete Testament jederzeit widerrufen. Es gibt allerdings Fälle, in denen bereits eine Bindungswirkung eingetreten ist, z.B. wenn ein Erbvertrag errichtet wurde, der vertragsmäßige Verfügungen enthält. Dieser kann nicht einseitig zum Beispiel durch ein Testament aufgehoben werden. Für Ehegatten gelten Besonderheiten, denn diese können, wie das OLG Hamm mit Urteil vom 11.08.2022 (Az. 10 U 68/22) bestätigt hat, einen zwischen ihnen geschlossenen Erbvertrags durch ein gemeinschaftliches Testament aufheben.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten Ehegatten zunächst durch diverse Erbverträge ihre Erbfolge geregelt. Nach dem letzten Erbvertrag im Jahr 1998 haben die Ehegatten dann am 02.04.2003 noch ein gemeinschaftliches Testament errichtet und darin ausdrücklich auf den letzten Erbvertrag Bezug genommen und hiervon abweichend eines ihrer Kinder als Alleinerben eingesetzt. Die Beteiligten streiten sich nunmehr über die Wirksamkeit des zuletzt errichteten gemeinschaftlichen Testaments.
Grundsätzlich ist ein Erbvertrag, soweit er vertragsmäßige Verfügungen enthält, bindend und kann nicht bzw. nur eingeschränkt durch ein Testament aufgehoben werden. Ausnahmen gelten nur für Vermächtnisse oder Auflagen sowie eine Rechtswahl (§ 2291 BGB). Ansonsten können in einem Erbvertrag getroffenen Verfügungen nur durch einen Erbvertrag aufgehoben werden (§ 2290 BGB). Für Ehegatten sieht das Gesetz in § 2292 BGB eine erleichterte Form des Widerrufs vor. Denn diese können auch durch ein gemeinschaftliches Testament einen Erbvertrag aufheben. Dann müssen die Voraussetzungen des § 2267 BGB vorliegen. Danach muss das Testament von einem der Ehegatten handgeschrieben werden und von beiden Ehegatten unterzeichnet werden, dies jeweils nebst Angabe von Ort und Datum der Unterzeichnung.
Soweit der Wirksamkeit des Testaments entgegengehalten wurde, dass das Testament nicht mit Testierwillen errichtet wurde, ist das OLG dem nicht gefolgt. Ein fehlender Testierwillen wäre zum Beispiel gegeben gewesen, wenn es sich bei dem Ehegattentestament nur um einen Entwurf gehandelt hätte. Hierfür waren aber nach Auffassung des OLG keine hinreichenden Gründe gegeben. Soweit sich aus den äußeren Umständen keine Besonderheiten ergeben und das Testament im Übrigen den Anforderungen an die Eigenhändigkeit entspricht, ist regelmäßig von der Ernstlichkeit des Testierwillens bei der Testamentserrichtung auszugehen. Allein die Tatsache, dass zuvor diverse notarielle Erbverträge errichtet wurden spricht nach Auffassung des OLG nicht gegen einen Testierwillen bei der Errichtung des privatschriftlichen Testaments der Ehegatten.
Ehegatten, die einen Erbvertrag errichtet haben, können sich also gegebenenfalls den Weg zum Notar sparen, wenn sie die dortigen Regelungen widerrufen wollen. Insoweit kann es ausreichen, wenn ein gemeinschaftliches Testament in der Form des § 2267 BGB errichtet wird. Ausgeschlossen ist ein entsprechender Widerruf aber dann, wenn an dem Erbvertrag noch Dritte (zum Beispiel Kinder) beteiligt sind. Dann kann der Erbvertrag nur durch einen neuen Erbvertrag aufgehoben werden. In jedem Fall ist vorherige juristische Beratung zu empfehlen.