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OLG München, Beschluss vom 05.11.2020 – 31 Wx 415/17 – “Drum prüfe, wer sich ewig … – die Bindungswirkung des Ehegattentestaments“


Das Gesetz sieht für Ehegatten bei der Errichtung eines Testaments Erleichterungen vor. So kann ein gemeinschaftliches Testament dadurch errichtet werden, dass einer der Ehegatten den letzten Willen handschriftlich zu Papier bringt und das Testament durch beide Ehegatten unterschrieben wird. Bei Einzeltestamenten ist es dagegen erforderlich, dass jeder Erblasser selbst den Text schreibt und unterschreibt, soweit nicht ein Notar mit der Beurkundung beauftragt wird. Zugleich führt ein Ehegattentestament, ebenso wie ein Erbvertrag aber auch zu Bindungen, was Ehegatten häufig nicht bewusst ist. Denn es ist möglich, im Testament sogenannte wechselbezügliche Verfügungen zu treffen. Dies ist nach § 2270 Abs. 1 BGB eine Verfügung, von der anzunehmen ist, dass sie nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. Davon ist z.B. bei dem Testament von Ehegatten einer Patchwork-Familie auszugehen, wenn die Ehegatten die Kinder aus vorangegangenen Ehen als Schlusserben einsetzen. Die Besonderheit von wechselbezüglichen Verfügungen besteht insbesondere in der Bindungswirkung, die dazu führt, dass nach der Errichtung des Testaments ein Ehegatte allein nicht ohne weiteres anderweitig testieren kann. Denn der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung kann nur durch eine notariell beurkundete Erklärung erfolgen. Nach dem Tod eines Ehegatten kann der Überlebende wechselbezügliche Verfügungen nicht mehr widerrufen, d. h. diese sind für ihn bindend.

Dem OLG München (Beschluss vom 05.11.2020 – 31 Wx 415/17) lag nunmehr der Fall zur Entscheidung vor, dass sich die Erblasserin gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Nach dem Tod des Überlebenden sollten die Tochter der Ehefrau sowie die beiden Töchter des Ehemanns aus zweiter Ehe jeweils zu gleichen Teilen erben. Ersatzerben wurden nicht bestimmt. Die Tochter der Erblasserin ist vor ihr und ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben. Zuvor hatte die Erblasserin nach dem Ehegattentestament mehrere notarielle Testamente errichtet, zuletzt hat sie einen Dritten zu ihrem Alleinerben bestimmt. Das Amtsgericht war der Auffassung, dass dieses Testament aufgrund der Bindung durch das Ehegattentestament nicht maßgeblich ist und vielmehr der Erbteil der Tochter der Erblasserin den Töchtern des Ehemanns angewachsen ist. Dem ist das OLG München mit dem Beschluss vom 05.11.2020 entgegengetreten und hat zutreffend ausgeführt, dass die Erblasserin über ihren Erbteil anderweitig verfügen konnte. Denn in einer vergleichbaren Konstellation ist das Interesse der jeweiligen Ehepartner in der Regel primär darauf gerichtet, dass der eine Ehepartner an seine letztwillige Verfügung zugunsten der Abkömmlinge des anderen Ehepartners gebunden ist, nicht aber an seine Verfügung zugunsten des eigenen Kindes. Demgemäß war die Erblasserin nicht daran gehindert, in Bezug auf den ihrer Tochter ursprünglich zugedachten Erbteil neu zu testieren. Lediglich bezüglich des Erbteils der Töchter des Ehemanns war sie gebunden und konnte über diesen nicht mehr anderweitig verfügen. Demgemäß führt die Neutestierung der Erblasserin dazu, dass die Töchter des Ehemanns und der von ihr benannte Dritte jeweils zu 1/3 erben.

Bei der Errichtung eines Ehegattentestaments sollten die Ehegatten immer stets genau im Blick haben, ob und in welchem Umfang sie sich durch das Testament selbst binden wollen. Auslegungsschwierigkeiten wie im vorliegenden Fall lassen sich ganz einfach dadurch verhindern, dass in dem Testament ausdrücklich klargestellt wird, ob und in welchem Umfang die Verfügungen wechselbezüglich sein sollen. Hätte man die Ehegatten gefragt, hätten sie wahrscheinlich dem Ergebnis des OLG München zugestimmt und jeder hätte in Bezug auf seine eigenen Kinder sich etwaige Änderungen vorbehalten wollen. Möglicherweise war aber auch anderes beabsichtigt. Dies lässt sich im Nachhinein leider in der Regel nicht mehr aufklären, weswegen die Ehegatten ihren Willen klar im Testament formulieren sollten.