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BGH Urteil vom 17.09.2019 – VI ZR 396/18 – “Die (fiktiven) Kosten einer Beilackierung“


Es steht dem Geschädigten im Rahmen der Schadenregulierung frei, ob dieser auf Grundlage einer konkreten Schadensbeseitigung, beispielsweise durch Reparatur/Reparaturrechnung oder auf Basis der voraussichtlich erforderlichen Kosten für die Wiederherstellung des ohne das Unfallereignis bestehenden Zustandes, fiktiv, beispielsweise auf Grundlage eines Gutachtens, abrechnen möchte. Gerade bei Wahl der fiktiven Abrechnung gehört es mittlerweile zum Standard des zuständigen gegnerischen Versicherers, eine Überprüfung, computergestützt, vornehmen zu lassen. Im Rahmen derartiger Überprüfungen werden standardmäßig insbesondere Kosten für die Lackierung nicht beschädigter, angrenzender Bauteile zur Farbtonangleichung, eine sogenannte „Beilackierung“ beanstandet und nicht mit erstattet.

Über die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten einer Beilackierung bei fiktiver Abrechnung war nunmehr durch den Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 17.09.2019 – VI ZR 396/18 (NJW 2020, 236, 237) zu entscheiden. Es hat der Bundesgerichtshof erneut darauf verwiesen, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsverfahrens ist und frei darüber entscheidet, ob dieser konkret oder fiktiv abrechnen möchte. Es wurde insoweit auch betont, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, sich hinsichtlich Herstellungsmaßnahmen zu äußern, in einem Rechtsstreit hierzu vorzutragen oder Abrechnungen vorzulegen.

Hinsichtlich der Beilackierungskosten wurde darauf verwiesen, dass der voraussichtlich erforderliche Aufwand für die Herstellung des ohne das Unfallereignis bestehenden Zustandes geschuldet ist und insoweit das Beweismaß des § 287 ZPO gilt. Im Ergebnis wurde ausgeführt, dass im Falle der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Kosten entstehen werden, diese auch bei fiktiver Abrechnung zu erstatten sind. Dabei wurde auch die Bedeutung des betroffenen Farbtons, da dieser für die Wahrscheinlichkeit entsprechend notwendiger Beilackierung von erheblicher Bedeutung ist, betont.

Es bleibt abzuwarten, ob, was zu vermuten ist, die Kürzungen gleichwohl bei fiktiver Abrechnung beibehalten werden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes kommen jetzt jedoch weitere wesentliche Argumente für die Erstattungsfähigkeit der Beilackierung auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung in Betracht, was möglicherweise zur vollständigen Zahlung, auch außergerichtlich, beiträgt. Im Übrigen bleibt für den Fall der gerichtlichen Auseinandersetzung eine gutachterliche Überprüfung zum voraussichtlich erforderlichen Aufwand auch weiterhin notwendig, mit entsprechendem Kostenrisiko.