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BGH, Urteil vom 29.6.2011 – XII ZR 157/09 – „Die Anpassung des nachehelichen Unterhalts“


Im Normalfall, soweit nicht durch eine Vereinbarung ausdrücklich etwas anderes geregelt wurde, ist eine Unterhaltsregelung, unabhängig ob diese durch gerichtliche Entscheidung, Vergleich oder notarielle Urkunde getroffen wurde, immer abänderbar, soweit sich die Grundlagen der früheren Berechnung erheblich geändert haben. In den letzten Jahren gab es, unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen, insbesondere zwei grundlegende Änderungen der Rahmenbedingungen, welche ebenfalls die Abänderung einer früheren Unterhaltsregelung begründen können. Zum einen war dies die Änderung der Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof vom 12. April 2006 wegen Berücksichtigung einer nach der Trennung erst aufgenommenen oder ausgeweiteten Berufstätigkeit. Zum anderen ergab sich die grundlegende Änderung durch die Reform des Ehegattenunterhalts, insbesondere für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung mit Wirkung zum 1.1.2008.

Es hatte sich nunmehr der Bundesgerichtshof mit einem Urteil vom 29.6.2011, Az. XII ZR 157/09 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und bejahendenfalls auf welchen Grundlagen ein früherer Unterhaltsvergleich, abgeschlossen vor den beiden Änderungen nach obiger Darstellung, jetzt angepasst werden kann. Im Vergleich zu früheren derartigen Entscheidungen, durch welche bereits bestätigt wurde, dass die oben dargestellten Umstände Grundlage einer Abänderung (mit dem Ergebnis einer Unterhaltsreduzierung oder Befristung) sein können, hatte sich die jetzige Entscheidung darüber hinaus mit der Berechnungsgrundlage für nachehelichen Unterhalt nach beiderseitigem Rentenbezug zu befassen.

Wegen der Frage der Berechnung des nachehelichen Unterhalts und der Entscheidung über eine höhenmäßige Beschränkung und Befristung bei beiderseitigem Bezug von Altersrente wurden zunächst frühere Entscheidungen bestätigt, wonach durch den Versorgungsausgleich ein ehebedingter Nachteil für die Altersrente, dies für den Zeitraum zwischen standesamtlicher Heirat und Zustellung des Scheidungsantrages, grundsätzlich ausgeschlossen ist. Hierzu wurde nochmals die abschließende Regelung durch den Versorgungsausgleich, auch für diesen Aspekt des nachehelichen Unterhalts, bestätigt, zuvor z.B. Urteil vom 16.4.2008, Az. XII ZR 107/06, 6.10.2010, Az. XII ZR 202/08 und 2.3.2011, XII ZR 44/09.

Darüber hinaus wurde jetzt jedoch geklärt, dass ein ehebedingter Nachteil nur dann in Betracht kommt, soweit entweder wegen der Gestaltung von Haushaltsführung und Berufsfähigkeit in der Ehe auch nach der Scheidung das Bruttoeinkommen und damit die Rentenbeiträge reduziert sind, insbesondere wegen Betreuung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes, ehebedingt, nur eine Obliegenheit zur Teilzeiterwerbstätigkeit besteht oder aus sonstigen Gründen, begründet durch die Ehe, auch nach der Scheidung lediglich Rentenanwartschaften unterhalb der eigenen Möglichkeiten begründet werden können.

In der aktuellen Entscheidung vom 29.6.2011 hat der Bundesgerichtshof jedoch betont, dass diese Grundlagen zur Berechnung eines ehebedingten Nachteils nur die Untergrenze für die Herabsetzung eines nachehelichen Unterhalts darstellen. Für die Festlegung des tatsächlichen Unterhaltsbedarfs ist jedoch auf die individuellen Verhältnisse, auch unter Berücksichtigung der Angemessenheit, abzustellen, was einerseits die gerichtliche Entscheidung schwer kalkulierbar macht, andererseits die Grundlage für das Vorbringen von Argumenten in beide Richtungen darstellt.