Project Description

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2023 – 5 AZR 137/23 – „Der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann auch durch die äußeren Umstände erschüttert werden“


Das Bundesarbeitsgericht hat am 13.12.2023 seine Rechtsprechung zur Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bestätigt. Zur Erläuterung:

Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist durch den Arbeitgeber zunächst einmal und im Regelfall sehr schwer zu erschüttern, d. h. allein die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt bindet den Arbeitgeber im Zweifel daran, auch von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen und bei Vorliegen der Voraussetzungen Entgeltfortzahlung zu leisten. Weiterhin entschuldigt die Arbeitsunfähigkeit das Fehlen des Arbeitnehmers.

Dieser Beweiswert ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 13.12.2023 indes erschüttert, wenn der Arbeitnehmer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (oder auch nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) vorlegt, die den gesamten Zeitraum ab Zugang der Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist abdecken und er direkt danach eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufnimmt. Im konkreten Fall kündigte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 02.05.2022, das am 03.05.2022 zuging zum 31.05.2022. Der Arbeitnehmer war in dieser Woche bereits arbeitsunfähig erkrankt und belegte mit weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 06.05. bis 20.05. und vom 20.05. bis 31.05.2022 seine Arbeitsunfähigkeit. Ab 01.06.2022 war er wieder arbeitsfähig und nahm eine neue Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber auf. Die bisherige Arbeitgeberin verweigerte die Entgeltfortzahlung und bekam im wesentlichen Recht, musste für den Zeitraum 07.05. bis 31.05.2022 keine Entgeltfortzahlung leisten.

Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Vortrag tatsächlicher Umstände, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen, erschüttern kann, solche seien im konkreten Fall die Bescheinigungen ab 06.05.2022. Der Beweiswert der Bescheinigung für den Zeitraum 02.05. bis 06.05. sei demgegenüber nicht erschüttert, da die Kündigung erst am 03.05. zugegangen sei.

Im konkreten Fall berücksichtigte das Gericht auch, dass die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht, wie häufig üblich an einem Freitag endete, sondern an einem Dienstag und der Arbeitnehmer am Mittwoch beim neuen Arbeitgeber begann.