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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 09.08.2017 – 30 U 53/17 Betriebspflichtklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen


Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 09.08.2017 – 30 U 53/17 – die Frage diskutiert, ob eine Betriebspflichtklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Vermieters wirksam ist, die auf die Öffnungszeiten der „überwiegenden Anzahl der Mieter“ in dem Einkaufscenter abstellt. Problematisch an der Klausel war auch, dass sie keine Ausnahmen für betriebsnotwendige Unterbrechungen, wie z.B. die Durchführung von Inventuren, Schönheitsreparaturen und sonstigen Instandhaltungsmaßnahmen oder Betriebsversammlungen enthielt.

Mietsache war eine Fläche in einem seit vielen Jahren bestehenden Einkaufszentrum. Der Mietvertrag enthält eine Formularklausel, die den Mieter verpflichtet, die Mietsache während der gesamten Mietzeit seiner Zweckbestimmung entsprechend ununterbrochen zu nutzen. Der Mieter wird verpflichtet, die laufenden Schönheitsreparaturen, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten innerhalb des Mietobjekts auf seine Kosten vorzunehmen. Geregelt wird, dass das Geschäftslokal im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufstagen so lange offen zu halten ist, wie die überwiegende Anzahl aller Mieter ihr Geschäft offenhält.

Nachdem sich der Betrieb der Filiale des Mieters wirtschaftlich unbefriedigend entwickelte, stellte der Mieter den Betrieb ein. Der Vermieter erwirkte eine einstweilige Verfügung auf Erfüllung der Betriebspflicht zu den bislang eingehalten Öffnungszeiten montags bis donnerstags von 9:00 Uhr bis 21:00 Uhr, freitags von 9:00 Uhr bis 20:00 Uhr sowie samstags von 9:00 Uhr bis 21:00 Uhr. Das Oberlandesgericht Hamm entscheidet, dass die mietvertragliche Regelung wirksam und der Mieter zur Wiederaufnahme des Betriebes zu den bisherigen Öffnungszeiten verpflichtet ist. Der Einwand des Mieters, die Formularklausel sei wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, weil sie nicht ausdrücklich regele, dass eine zeitweise Schließung des Geschäftslokals auch zur Durchführung der dem Mieter nach dem Mietvertrag obliegenden Instandhaltungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen gestattet sei, bleibt ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm meint, eine solch weitreichende Betriebspflicht lasse sich den streitgegenständlichen Regelungen auch unter Beachtung des Grundsatzes der kundenfeindlichsten Auslegung schon nicht entnehmen. Selbst wenn sich aber eine so weitreichende Betriebspflicht aus dem Mietvertrag ergeben würde, könnte die entsprechende Regelung aus der Formularklausel gestrichen werden, ohne dass die Wirksamkeit der weiteren Regelungen zur Betriebspflicht hierdurch beeinträchtigt würde. Das Oberlandesgericht Hamm legt die mietvertraglichen Vereinbarungen so aus, dass sich die Betriebspflicht nicht auch auf Zeiten der Durchführung von Schönheitsreparaturen und der Vornahme von Instandhaltungsmaßnahmen erstreckt. Zwar wird diese Ausnahme von dem Verbot zeitweiser Schließungen nicht ausdrücklich aufgeführt. Das Oberlandesgericht Hamm meint jedoch, die Formularklausel sei so auszulegen, dass sich das Verbot zeitweiser Betriebsschließungen nicht auf die vom Mieter übernommenen Schönheitsreparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen bezieht, weil Instandhaltungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen gesetzlich dem Vermieter obliegen und nur vom Mieter vertraglich übernommen wurden. Diese Auslegung des Oberlandesgerichts überzeugt allerdings nicht. Da das Oberlandesgericht dies wohl selbst sieht, stellt es hilfsweise darauf ab, dass die Formularklausel auch dann im Übrigen wirksam wäre, wenn das Verbot zeitweiser Schließungen auch Zeiten zur Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen oder Schönheitsreparaturen erfassen würde. Dann soll dies nach Meinung des Gerichts nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Formularklausel führen. Vielmehr wäre dann allein das Verbot der zeitweisen Betriebsschließungen unwirksam, nicht aber die zwischen den Mietvertragsparteien vereinbarte generelle Betriebspflicht. Auch diese Ausführungen des Oberlandesgerichts sind durchaus bedenklich, denn es spricht wohl mehr für die Auffassung, dass die Meinung des Oberlandesgerichts gegen das gesetzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstößt.

Das Gericht diskutiert weiter die Frage, ob die Formularklausel deshalb intransparent und unwirksam ist, weil sie auf die Öffnungszeiten der „überwiegenden Anzahl der Mieter“ abstellt. Auch insoweit verneint das Oberlandesgericht eine Intransparenz und nimmt an, dass die Regelung wirksam ist. Das Gericht lässt es dahinstehen, ob eine solche Regelung dann nicht hinreichend transparent ist, wenn der Mietvertrag ein neu gegründetes und noch nicht in Betrieb befindliches Einkaufszentrum beträfe. Jedenfalls dann, wenn wie vorliegend das Einkaufszentrum schon lange betrieben wird, ist eine solche Regelung nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm hinreichend transparent. Für den neuen Mieter sind dann nämlich schon vor bzw. bei Vertragsschluss diese Zeiten ermittelbar, so dass er feststellen kann, was mit dem Vertragsschluss auf ihn zukommt. Ob es für die Ermittlung dabei eines größeren Aufwandes bedarf, ist für die Frage der hinreichenden Transparenz nicht von Bedeutung. Entscheidend ist allein, dass die vertragliche Bestimmung den Mieter nicht im Unklaren über seine mit dem Vertragsschluss begründeten Pflichten lässt.