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OLG Dresden, Beschluss vom 07.07.2017 – 5 U 556/17 Auslegung einer Vereinbarung zum Mietzweck


Das Oberlandesgericht Dresden beschäftigte sich mit Beschluss vom 07.07.2017 – 5 U 556/17 – mit der Frage, wie Vereinbarungen zum Mietzweck und zur Gewährung von Konkurrenzschutz auszulegen sind. Zumindest über die Ansichten des Oberlandesgerichts zum Konkurrenzschutz kann man streiten.

Die Vermieterin vermietet der Stadt Chemnitz mit   Mietvertrag vom 29.05.2008/23.07.2008 eine Mietfläche von fast 7.500 m². In den Absätzen 1 und 2 des § 6 des Mietvertrags ist geregelt, dass der Mietgegenstand zur Nutzung für Verwaltungszwecke der Mieterin als Büroeinrichtung mit Publikumsverkehr vorgesehen sei und eine Benutzung zu einem anderen Zweck nur nach schriftlicher Einwilligung der Vermieterin erfolgen dürfe. Mit Vertrag vom 03.09.2009 vermietete die Vermieterin im selben Objekt Räume an einen Dritten zum Betrieb eines Fotostudios und gewährte diesem Konkur-renzschutz. Die Mieterin (die Stadt Chemnitz) nutzt seit der Übernahme im Jahre 2010 die von ihr angemieteten Räume für das Bürgeramt mit der Kraftfahrzeugzulassungsbehörde, die Meldebehörde, das Standesamt, die Ausländer- und Staatsangehörigkeitsbehörde, den Bürgerservice und das Fundbüro. Im Wartebereich des Bürgeramtes, wo sich auch die Wartenden für die Meldebehörde aufhalten, stellte die Mieterin ein Selbstbedienungsterminal auf, wo die Bürger gegen ein Entgelt von EUR 3,00 ihre biometrischen Daten selbst aufnehmen können. Die dabei entstehenden Passfotos werden den Bürgern nicht ausgehändigt, sondern automatisch an den Sachbearbeiter der Meldebehörde weitergeleitet. Die Passbilder werden also nur zweckgebunden für die Meldebehörde erstellt. Die Vermieterin hat nicht ihr Einverständnis zur Aufstellung des Selbstbedienungsterminals erklärt. Die Vermieterin klagt gegen die Stadt Chemnitz auf Unterlassung der nach ihrer Auffassung mietzweckwidrigen Nutzung durch Aufstellung des Selbstbedienungsterminals. Sie trägt vor, die Aufstellung des Selbstbedienungsterminals sei vom vertraglich vereinbarten Mietzweck nicht gedeckt. Bei Abschluss des Mietvertrags im Jahre 2008 seien keine Absprachen über das Aufstellen eines Fototerminals getroffen worden, was bereits daran liege, dass die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Stadt Chemnitz erst im Jahre 2010 geschaffen worden sei. Bei Abschluss des Mietvertrags sei die Stadt Chemnitz also bereits aus Rechtsgründen nicht berechtigt gewesen, ein Fototerminal zu betreiben. Die Vermieterin meint, sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, dieser Nutzung zuzustimmen, denn nach der vertraglichen Regelung bestehe eine Zustimmungspflicht nur, wenn nicht ihre eigenen Interessen entgegenstünden. Diese wären aber bei Zustimmung durch den zulässigerweise im Jahre 2009 mit einem Dritten vereinbarten Konkurrenzschutz beeinträchtigt.

Das Oberlandesgericht Dresden entscheiden insoweit überzeugend, dass die Aufstellung des Selbstbedienungsterminals im Wartebereich des Bürgeramtes vom Mietzweck aus § 6 Abs. 1 des Mietvertrags gedeckt ist. Das Aufstellen des Selbstbedienungsterminals im Wartebereich des Bürgeramtes ist wegen seines engen sachlichen Zusammenhanges zur Er-stellung von Passdokumenten durch die Meldestellen als Verwaltungstätigkeit anzusehen, die unter § 6 Abs. 1 des Mietvertrages fällt. Wie bereits das Verwaltungsgericht Münster in einem Urteil vom 08.05.2015 (1 K 94/14, NVwZ 2015, 1399) ausführte, kann das Her-stellen und Verarbeiten der Fotos nicht losgelöst von der hoheitlichen Verwaltungsaufgabe der Pass- und Personalausweisbehörde betrachtet werden, weil die angefertigten Bilder ausschließlich für die Zwecke der Meldebehörde verwendet werden. Mit der Ermöglichung der Anfertigung der Fotos wird die Stadt Chemnitz deshalb nicht wirtschaftlich, sondern als Verwaltungsbehörde tätig, da auch die Aufstellung des Selbstbedienungsterminals eine Verwaltungstätigkeit ist. Die Erhebung eines Entgeltes für die Anfertigung der Fotos durch die Mieterin spricht nicht gegen die Annahme einer Verwaltungstätigkeit. Das Oberlandesgericht Dresden folgt auch nicht dem Argument, die Aufstellung des Selbstbedienungsterminals könne schon deshalb nicht unter den vertraglich vereinbarten Mietzweck fallen, weil es der Stadt Chemnitz aufgrund einer gesetzlichen Änderung erst im Jahre 2010 ermöglicht und gestattet wurde, ein Selbstbedienungsterminal aufzustellen. Die Parteien haben im Jahre 2008 einen langfristigen Mietvertrag geschlossen, der mindestens 15 Jahre laufen sollte. Es versteht sich nach Auffassung des Oberlandesgerichts daher von selbst, dass der Stadt Chemnitz die Nutzung für im Laufe der Vertragslaufzeit hinzukommende neue Verwaltungstätigkeiten ebenso ermöglicht werden sollte wie der Einsatz neuer Technik für die Durchführung der Verwaltungstätigkeit.

Etwas eigenwillig ist allerdings die Hilfsbegründung des Oberlandesgerichts, auf die es aber im Ergebnis ohnehin nicht ankommt. Das Oberlandesgericht meint nämlich, dass die Vermieterin eine Zustimmung zur Aufstellung des Fototerminals erteilen müsse, falls der vereinbarte Mietzweck nicht die Aufstellung des Fototerminals umfasse. Das Oberlandes-gericht führt aus, einer derartigen Zustimmung stünden keine eigenen Interessen der Vermieterin entgegen, denn der Gestattung der Aufstellung des Selbstbedienungsterminals stehe kein Anspruch des Fotostudios auf Gewährung von Konkurrenzschutz entgegen. Nicht besonders überzeugend meint das Oberlandesgericht, es sei schon nicht davon auszugehen, dass die Stadt Chemnitz dem Fotostudio Konkurrenz mache, denn dafür wäre erforderlich, dass beide in einem Wettbewerbsverhältnis stünden. Daran aber soll es fehlen, weil die Stadt Chemnitz mit der Anfertigung der Fotos lediglich für die Zwecke der Meldebehörde nicht „am Markt tätig“ werde. Das Fotostudio habe bei Abschluss eines Mietvertrags mit der Vermieterin lediglich die Aussicht gehabt, von der Notwendigkeit der Anfertigung von Lichtbildern für Passdokumente in der Weise zu profitieren, dass Kun-den Lichtbilder in seinen Geschäftsräumen anfertigen lassen werden. Ob sich diese Aus-sicht realisieren würde, fiele unter das Verwendungsrisiko, welches das Fotostudio als Mieter zu tragen habe. In gleicher Weise sei eine bloße Erwerbsaussicht mit der Annahme verbunden gewesen, die Antragsteller der Meldebehörde würden in Zukunft ein körperlich angefertigtes Lichtbild erstellen müssen, bevor sie ein Passdokument in der Melde-stelle beantragen können. Im Übrigen ergebe die Auslegung der Konkurrenzschutzvereinbarung zwischen der Vermieterin und dem Fotostudio gemäß §§ 133, 157 BGB, dass sich der Konkurrenzschutz nicht auf solche Tätigkeiten erstrecken sollte, welche die Stadt Chemnitz im Laufe der Mietvertragszeit berechtigt ausführt. Zum Zeitpunkt des Ab-schlusses des Mietvertrags zwischen der Vermieterin und dem Fotostudio im Jahre 2009 war der Mietvertrag der Vermieterin mit der Stadt Chemnitz aus dem Jahre 2008 bekannt. Das Fotostudio hätte demnach nach Meinung des Oberlandesgerichts Dresden damit rechnen müssen, dass die Stadt Chemnitz sämtliche Tätigkeiten ausüben werde, zu denen sie im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit berechtigt sein würde. Von solchen Tätigkeiten sei das Fotostudio deshalb nur dann durch die Konkurrenzschutzvereinbarung geschützt, wenn sie konkret in sie aufgenommen wurden (ebenso der Bundesgerichtshof im Urteil vom 11.01.2012, XII ZR 40/10, NJW 2012, 844 für das Verhältnis eines Hörgerätegeschäfts zu einem HNO-Arzt).