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OLG Hamm, Urteil vom 01.09.2023 – 30 U 195/22 – „Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB mit Kenntnis des Vermieters von dem Schlüsseleinwurf“


Mit Urteil vom 01.09.2023 – 30 U 195/22 – befasste sich das Oberlandesgericht Hamm mit der kurzen sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB bezüglich der Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache. Wie die Entscheidung nochmals eindrücklich zeigt, handelt es sich bei der gesetzlichen Verjährungsfrist um eine außerordentlich gefährliche Bestimmung, denn der Lauf der Verjährungsfrist beginnt häufig früher, als viele Vermieter das meinen.

Mietgegenstand ist eine Halle mit Lagerbüro. Nach der mietvertraglichen Regelung wäre der Mieter berechtigt gewesen, unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum 04.06. des jeweiligen Jahres zu kündigen. Gleichwohl kündigt der Mieter mit Schreiben vom 10.03.2020 zum 17.06.2020. Der Vermieter weist den Mieter darauf hin, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung erst zum 04.06.2021 endet. Der Mieter nutzte die Mietsache bis zum 31.12.2020. An diesem Tag warf er die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters ein, was dieser mit Schreiben vom 07.01.2021 zurückwies. Der Vermieter macht geltend, ihm stünde wegen Schäden an der Mietsache ein Schadensersatzanspruch zu. Unter Verrechnung mit einem Kautionsguthaben des Mieters in Höhe von EUR 5.695,08 hat der Vermieter Instandsetzungskosten von EUR 32.075,52 errechnet. Diesen Anspruch macht er mit Mahnantrag vom 26.08.2021 geltend. Die Klage wird mit der Begründung abgewiesen, dass mit Ablauf des 08.06.2021 Verjährung eingetreten ist. Einschlägig ist die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Vorschrift soll zwischen den Parteien des Mietvertrags eine rasche Auseinandersetzung gewährleisten und eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustandes der überlassenen Mietsache bei Rückgabe erreichen. Ihr Anwendungsbereich ist deshalb weit auszulegen. Der Lauf der Verjährungsfrist der Schadensersatzansprüche des Vermieters hat spätestens am 08.01.2021 begonnen. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 548 Abs. 1 S. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht identisch mit Rückgabe im Sinne von § 546 BGB. Rückerhalt setzt grundsätzlich die unmittelbare Sachherrschaft (§ 854 BGB) des Vermieters und eine Besitzveränderung zu seinen Gunsten voraus. Entscheidend ist, dass der Vermieter die Mietsache auf Veränderungen und Verschlechterungen ungestört untersuchen kann und der Mieter mit Kenntnis des Vermieters den Besitz vollständig und unzweifelhaft aufgibt (BGH, Urteil vom 27.02.2019 – XII ZR 63/18 –, Rn. 11 mwN). Das gilt auch, wenn das Mietverhältnis erst nach Rückerhalt endet (BGH, Urteil vom 15.03.2006 – VIII ZR 123/05 –, Rn. 9); die Beendigung des Mietverhältnisses ist nicht Voraussetzung des Verjährungsbeginns (BGH, Urteil vom 12.10.2011 – VIII ZR 8/11 –, Rn. 14 mwN). In der streitgegenständlichen Sache hat der Mieter die Schlüssel am 31.12.2020 in den Hausbriefkasten des Vermieters eingeworfen und das Mietobjekt auch verlassen. Darin ist eine vollständige Besitzaufgabe zu sehen. Der Vermieter hat von der Besitzaufgabe Kenntnis erlangt, als er die Schlüssel am 07.01.2021 in seinem Hausbriefkasten vorfand. Da der Mieter das Mietobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatte, war für den Vermieter die vollständige Besitzaufgabe auch nicht zweifelhaft. Dem Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB stand im vorliegenden Falle auch nicht entgegen, dass der Vermieter zu einer Rücknahme der Mietsache nicht bereit war. Der Mieter konnte sich auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.10.2011 (VIII ZR 8/11, NJW 2012, 144) berufen. Zwar hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ausgeführt, dass ein Vermieter ein Mietobjekt nicht auf Zuruf zurückzunehmen verpflichtet sei und den Besitz an der Mietsache auch nicht dadurch erhalte, dass die Schlüssel in den Briefkasten des Mietobjekts eingeworfen würden. Der maßgebliche Unterschied des vom Oberlandesgericht Hamm zu entscheidenden Falles zu dem, der vom Bundesgerichtshof zu entscheiden war, lag darin, dass der Vermieter im Fall des OLG Hamm tatsächlich den Besitz an dem Mietobjekt zurückerhalten und dann im Übrigen auch behalten hat, da die Schlüssel in seinen Briefkasten und nicht lediglich in den des Mietobjekts eingeworfen wurden. Die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB ist aus diesen Gründen spätestens am 08.01.2021 in Lauf gesetzt worden. Folglich endete die Verjährungsfrist mit Ablauf des 08.06.2021. Der erst danach gestellte Mahnbescheidsantrag des Vermieters war zu spät.