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BGH, Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21 – “Bedeutung der Kurzarbeit bei „Corona-Mieten““


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21 präzisiert, was ein Mieter vortragen und erforderlichenfalls beweisen muss, wenn er einen Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage geltend macht.

Der Bundesgerichtshof wiederholt, dass im Falle einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt (so bereits BGH 12.01.2022 – XII ZR 8/21). Eine Anpassung der Miete setzt aber weiter voraus, dass dem Mieter das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Das ist nur dann der Fall, wenn ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist allerdings nicht erforderlich. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer umfassenden Abwägung nach § 313 Abs. 1 BGB, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dabei ist zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung oder -einschränkung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die fragliche Zeit der Schließung oder Nutzungseinschränkung bestehen, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist (BGH 12.01.2022 – XII ZR 8/21 Rn. 58). Allerdings müssen die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf pandemiebedingten hoheitlichen Maßnahmen beruhen, die den jeweiligen Betrieb konkret erfassen. Dies sind etwa die Anordnungen von Betriebsschließungen oder in Bezug zur Geschäftsfläche gesetzte Begrenzungen der Personenzahl. In Betracht kommt auch die Beschränkung des Zugangs auf Personen mit einem bestimmten Impfstatus (2G oder 2G +) ohne die jedermann eröffnete Möglichkeit, die Zugangsberechtigung auch durch einen Test zu erlangen. Denn damit werden potentielle Kunden vollständig oder jedenfalls zum Teil vom Besuch des Ladengeschäfts ausgeschlossen, ohne dies kurzfristig selbst beeinflussen zu können. Von der Berücksichtigung im Rahmen des § 313 Abs. 1 BGB ausgenommen sind hingegen diejenigen Entwicklungen, die eine anderweitige Ursache haben und damit keine unmittelbare Folge der pandemiebedingten Beschränkungen darstellen. Dies gilt etwa für eine im Zuge der Pandemie zu beobachtende – möglicherweise auch durch eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beeinflusste – allgemeine Kaufzurückhaltung der Kunden, sofern diese nicht durch die die Geschäftsräume betreffenden Maßnahmen der Schließung oder Einschränkung verursacht ist. Insoweit geht es nämlich um dem Verwendungsrisiko des Mieters zuzuordnende Umstände der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (BGH 16.02.2022 – XII ZR 17/21 Rn. 31).

Zu berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat (BGH 12.01.2022 – XII ZR 8/21 Rn. 59). Zu berücksichtigen ist auch, ob in welchem Umfang der Mieter in der Zeit der Nutzungsbeschränkung Aufwendungen erspart hat.

Grundsätzlich obliegt es der Vertragspartei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Im Falle einer pandemiebedingten Geschäftsschließung oder -einschränkung muss deshalb der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Nachteile, die eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen, ihm durch die Maßnahme entstanden sind, und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten.

Erforderlich ist auch ein substantiierter Vortrag des Mieters dazu, inwieweit er infolge der in seinem Betrieb geleisteten Kurzarbeit Lohnkosten erspart hat. Nicht richtig ist die Auffassung, es könnten nur solche staatlichen Leistungen berücksichtigt werden, die ausdrücklich zum Zwecke der Zahlung von Miete gewährt werden. Um beurteilen zu können, ob dem Mieter ein Festhalten am Vertrag unzumutbar ist, ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters erforderlich, bei der auch die Vorteile zu berücksichtigen sind, die der betroffenen Partei aus der eingetretenen Veränderung erwachsen sind und insgesamt zu einer Entlastung von Kosten führen. Dazu zählen auch ersparte Lohnkosten, etwa im Fall von Kurzarbeit.