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BGH, Beschluss vom 12.11.2015 – V ZB 36/15 – “Welches Gericht entscheidet in der Berufungsinstanz?


Der Gesetzgeber hat im § 72 Abs. 2 GVG für wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG ein zentrales Gericht eingerichtet, das in Berufungssachen allein zuständig ist. Für den Amtsgerichtsbezirk Potsdam ist dies nicht das Landgericht Potsdam, sondern das Landgericht Frankfurt an der Oder. Nunmehr hatte der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, ob dieses Gericht auch dann zuständig ist, wenn in I. Instanz der nach dem Geschäftsverteilungsplan für wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeiten nicht zuständige Amtsrichter entschieden hat.

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch geltend, der sich auf die Art und Weise der Parkplatznutzung bezieht. Die Klage wurde vom Amtsgericht Potsdam abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung wird das Landgericht Frankfurt an der Oder als zuständiges Berufungsgericht bezeichnet. Der Kläger hat aber beim Landgericht Potsdam Berufung eingelegt und zwar mit der Begründung, es handele sich um eine allgemeine Zivilsache, nachdem in I. Instanz auch die nicht für wohnungseigentumsrechtliche Fragen zuständige Abteilung des Amtsgerichtes den Streit entschieden hat. Nachdem das Landgericht Potsdam nach Ablauf der Berufungsfrist auf seine Unzuständigkeit hingewiesen und die Verwerfung der Berufung als unzulässig angekündigt hat, hat der Kläger beim Landgericht Frankfurt an der Oder Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Auch das Landgericht Frankfurt an der Oder hat die Berufung als unzulässig verworfen, nachdem die Berufungsfrist bereits verstrichen war und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt worden ist, nachdem die Versäumung der Frist verschuldet gewesen ist, da die Zuständigkeitsregelung des § 72 Abs. 2 GVG eindeutig und die Rechtsbehelfsbelehrung auch richtig gewesen ist.

Der Bundesgerichtshof nimmt an, dass das Landgericht Potsdam seine Zuständigkeit zu Recht verneint hat. Denn § 3 der Brandenburgischen Gerichtszuständigkeitsverordnung bestimmt für Wohnungseigentumssachen im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG das Landgericht Frankfurt an der Oder als zuständiges Gericht. Zu den Wohnungseigentumssachen nach § 43 Nr. 1 WEG gehören Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Im vorliegenden Fall stritten die Parteien ausschließlich um die Nutzung des Gemeinschaftseigentums und nicht etwa über die sachenrechtlichen Grundlagen, für die die allgemeinen Gerichte zuständig sind. Ob die in § 72 Abs. 2 GVG vorgesehene Zuständigkeitskonzentration eintritt, richtet sich allein danach, ob es sich um eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 oder Nr. 6 WEG handelt. Es ist aber unerheblich, ob in I. Instanz ein nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeiten nicht zuständiger Amtsrichter entschieden hat.

Auch hält die Entscheidung des Landgerichtes Frankfurt an der Oder rechtlicher Nachprüfung stand, mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden ist. Die Rechtslage ist eindeutig und die erteilte Rechtsmittelbelehrung war richtig, so dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Verschulden des Klägers beruhte.

Die Zuständigkeitskonzentration im § 72 Abs. 2 GVG ist tückisch. Es bedarf daher sorgfältiger Prüfung, welches Gericht tatsächlich für die Entscheidung zuständig ist. Auch die Rechtsmittelbelehrung muss nicht unbedingt richtig sein und bedarf einer gesonderten Überprüfung.