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BGH, Beschluss vom 19.06.2019 – IV ZB 30/18 – “Zur Auslegung eines Ehegattentestaments, in welchem Erben für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“ eingesetzt wurden“


Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19.06.2019 – IV ZB 30/18) zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass Erblasser in einem Testament möglichst genau formulieren und ihren Willen klar zum Ausdruck bringen, um spätere Auslegungsschwierigkeiten und Streitigkeiten zu vermeiden. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:

Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Ehegatten zu Alleinerben eingesetzt haben. Etwas später wurde folgender Zusatz angefügt:

„Für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens ergänzen wir unser Testament wie folgt: Das Erbteil soll gleichmäßig unter unseren Neffen bzw. Nichte […] aufgeteilt werden.“

Neffen und Nichte streiten sich nunmehr mit der Cousine der Erblasserin, der gesetzlichen Erbin, um den Nachlass. Der Ausgang des Rechtsstreits hängt insbesondere davon ab, ob die Einsetzung der Neffen/Nichte nur für den Fall des gleichzeitigen Ablebens gilt oder auch für den Fall, dass die Ehegatten nacheinander versterben.

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Erbeinsetzung nach dem Wortlaut nur für den Fall des gleichzeitigen Ablebens gelten soll und dass es keine Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden Willen der Erblasserin gibt, wonach die Regelung auch für den Fall gelten solle, dass die Ehegatten zeitlich nacheinander versterben. Diese Entscheidung hat der BGH nunmehr bestätigt und dabei die Grundsätze der Testamentsauslegung wiederholt. Danach ist generell der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn der Erklärung festzuhalten. Der Erblasserwille geht jedoch nur dann einer anderen Interpretation, die der Wortlaut zulässt, vor, falls er formgerecht erklärt wurde, d. h. er muss zumindest andeutungsweise in dem Testament zum Ausdruck gekommen sein.

Vorliegend spielt es aus Sicht des BGH keine Rolle, ob es dem Willen der Erblasserin entsprach, die Neffen/Nichte auch für den Fall, dass sie zeitlich nach ihrem Ehemann verstirbt, als Erben einzusetzen, weil sich dem Testament hierzu jedenfalls nichts entnehmen lässt. Demgemäß wäre ein entsprechender Wille also nicht maßgeblich.

Da die Erblasserin und ihr Ehemann nicht mehr befragt werden können, bleibt offen, ob das Ergebnis des BGH deren Willen entspricht. Richtig ist es aber gleichwohl, weil zur Schlusserbeneinsetzung im Testament nichts steht. Hier hätten sich die Erblasserin und ihr Ehemann klarer äußern müssen und wären gut beraten gewesen, vor der Verfassung des Testaments juristische Unterstützung durch einen Notar oder Erbrechtsanwalt hinzuzuziehen.