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Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.06.2021 – V ZR 41/19 – “Zu Unterlassungsansprüchen des Eigentümers nach der WEG-Reform


Am 01.12.2020 ist das reformierte Wohnungseigentumsgesetz in Kraft getreten. Der neue § 9a Abs. 2 WEG bestimmt jetzt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte ausübt sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Der Bundesgerichtshof hatte die Frage zu klären, ob ein Wohnungseigentümer trotzdem weiterhin Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche nach § 1004 BGB und § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG selbst geltend machen kann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist.

Die Tochter des Klägers und der Beklagte sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Dem Kläger ist der Nießbrauch eingeräumt. Laut Teilungserklärung besteht das Grundstück aus einem Mehrfamilienhaus und einem Einzelhaus. Dabei darf das Einzelhaus eine Höhe von 56,40 m nicht überschreiten. Der Kläger ist der Ansicht, dass das Einzelhaus in Geschosszahl und Gebäudehöhe den Vorgaben der Teilungserklärung und des Aufteilungsplans widerspricht und den Ausblick aus der Wohnung seiner Tochter auf die Elbe verbaut, weshalb er in sogenannter Prozessstandschaft für seine Tochter Schadensersatz in Höhe einer Verkehrsminderung von Eur 55.000,00 begehrt. Der Kläger scheitert in allen drei Instanzen.

Der Bundesgerichtshof hält die Klage bereits für unzulässig, wobei nicht einmal zu entscheiden war, ob der Vater befugt gewesen ist, die Ansprüche seiner Tochter geltend zu machen. Denn auch der Tochter standen keine Ansprüche zu, da nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die vom Kläger verfolgten Rechte ausüben konnte. Bereits nach dem alten Recht hatte nur der Verband der Wohnungseigentümer das Recht, Schadensersatz statt Beseitigung der Beeinträchtigung zu verlangen. Denn nicht ein einzelner Wohnungseigentümer sondern nur der Verband konnte die Entscheidung treffen, sich mit einer Entschädigung zu begnügen statt Beseitigung zu verlangen. Ansonsten würde der Störer divergierenden Ansprüchen ausgesetzt, wenn ein Wohnungseigentümer eine Entschädigung und ein anderer die Beseitigung verlangen könnte.

Auch aus der Beeinträchtigung des Sondereigentums kann die Klägerseite keine Ansprüche auf Zahlung ableiten. Zwar kann ein Wohnungseigentümer Unterlassung oder Beseitigung von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums geltend machen, auch wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist, da § 9a Abs. 2 WEG nur die Abwehr von Störungen des Gemeinschaftseigentums allein auf die Gemeinschaft übergeleitet. Gegenstand der Klage ist aber nicht aus einer solchen Beeinträchtigung des Sondereigentums hergeleiteter Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch, sondern ein Zahlungsanspruch, der darauf gestützt wird, dass das in der Teilungsklärung vorgesehene Einzelhaus zu hoch errichtet worden sei. Auch in diesem Fall bedarf es einer Koordinierung durch eine gemeinschaftliche Willensbildung und damit den Verband. Denn der Störer darf nicht unterschiedlichen Anspruchszielen einerseits des Verbandes und andererseits einzelner Wohnungseigentümer ausgesetzt werden. Daher besteht nur eine Ausübungsbefugnis des Verbandes, weshalb die Ansprüche von dem Eigentümer allein nicht geltend gemacht werden konnten. Die Klage war deshalb unzulässig. Wenn Wohnungseigentümer Ansprüche erheben ist stets eine sorgfältige Prüfung veranlasst, ob diese überhaupt befugt sind, die Ansprüche geltend zu machen. Nur wenn man diese Frage bejaht, ist die Klage zulässig.