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BGH, Urteil vom 04.07.2017 – II ZR 319/15 Zahlungen nach Insolvenzreife bleiben gefährlich


Wenn bei einer GmbH Insolvenzreife eintritt und der Geschäftsführer Zahlungen aus der Masse erbringt, ist dieser grundsätzlich gemäß § 64 GmbHG der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet. Grund hierfür ist, dass der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife nicht nur Insolvenzantrag zu stellen hat sondern im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger die noch verbliebene Masse zu erhalten hat. Die Schadensersatzverpflichtung entfällt, wenn die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung durch eine Gegenleistung ausgeglichen wird. Dabei muss die in die Masse gelangende Gegenleistung für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Bei Arbeits- und Dienstleistungen ist dies regelmäßig nicht der Fall.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer private company limited by shares nach englischem Recht den Beklagten, der als Organ dieser Gesellschaft (Director) fungierte, auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Gesellschaft war seit dem 01.09.2009 zahlungsunfähig. Der Kläger verlangt insgesamt EUR 53.940,95 nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

Das Oberlandesgericht als Berufungsinstanz hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte einen Betrag in Höhe von EUR 14.065,69 dem Kläger nicht zu ersetzen hat. Denn in dieser Höhe liegt keine masseschmälernde Zahlung vor, da im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen endgültig gelangt ist, welcher die Schmälerung ausgleicht.

Der Ausgleich ist nicht jeder beliebige Massezufluss. Vielmehr muss eine wirtschaftliche Betrachtung vorgenommen werden. Der Zahlung von Gehältern steht demnach kein Massezufluss gegenüber. Mit einer Zahlung wird die ab Insolvenzreife den Gläubigern zur Verwertung zur Verfügung stehende Masse verkürzt. Um diese Verkürzung auszugleichen, muss die in die Masse gelangende Gegenleistung für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Es ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Masseverkürzung durch den Massezufluss ausgeglichen wird und nicht auf den Zeitpunkt der Insolvenzverfahrenseröffnung. Die Bewertung selbst hat aufgrund der Insolvenzreife der Gesellschaft danach zu erfolgen, ob Insolvenzgläubiger die Gegenleistung verwerten können, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt das Verfahren eröffnet wäre. Bei Arbeits- oder Dienstleistungen ist dies regelmäßig nicht der Fall. Dienstleistungen führen nicht zu einer Erhöhung der Aktivmasse und sind damit kein Ausgleich des Masseabflusses, so der Bundesgerichtshof. Auch für Zahlungen zum Zweck der Aufrechterhaltung von Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen, Entgelt für Internet und Kabelfernsehen gilt nichts anderes, da sie die verwertbare Aktivmasse nicht erhöhen. Auch etwaige Leistungen, die mit Materiallieferungen verbunden wären führen nicht per se zu einem Wegfall der Erstattungspflicht. Wenn die Gesellschaft insolvenzreif und eine Liquidation zugrundezulegen ist, ist die in die Masse gelangende Gegenleistung grundsätzlich nach Liquidationswerten zu bemessen. Auch müssen diese Gegenstände für die Gläubiger verwertbar sein. Daher sind geringwertige Verbrauchsgüter regelmäßig nicht für einen Ausgleich geeignet. Die Bezahlung der Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen wäre nur dann nicht schadensersatzauslösend, wenn hierdurch ein sofortiger Zusammenbruch eines auch in der Insolvenz sanierungsfähigen Unternehmens verhindert worden wäre und die Zahlung daher zur Abwendung eines größeren Schadens für die Gläubiger entschuldigt wäre. Ist dies nicht der Fall, entfällt die Schadensersatzverpflichtung nicht.