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Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.02.2019 – V ZR 153/18 – “Wohnungseigentümergemeinschaft kann Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter an sich ziehen


Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beklagte war im Zeitraum 1980 bis 2015 zu ihrer Verwalterin bestellt. In drei Beschlussanfechtungsverfahren wurden den übrigen Wohnungseigentümern die Kosten des jeweiligen Rechtsstreits auferlegt. Diese Prozesskosten beliefen sich auf insgesamt EUR 45.402,44. Sie wurden aus Mitteln der Gemeinschaft bestritten und im Rahmen der jeweiligen Jahresabrechnungen auf die unterlegenen Eigentümer verteilt. In der Versammlung vom 02.04.2016 fassten die Wohnungseigentümer einen bestandskräftigen Beschluss, die Beklagte wegen der den einzelnen Eigentümern entstandenen Vermögensschäden durch Belastung mit Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Anspruch zu nehmen und die neue Verwalterin zu bevollmächtigen, diese Ansprüche gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der in den Beschlussanfechtungsverfahren entstandenen Prozesskosten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Der Bundesgerichtshof bestätigt das Urteil des Berufungsgerichtes und weist die Revision zurück.

Denn die Wohnungseigentümergemeinschaft ist berechtigt, die Schadensersatzansprüche ihrer Mitglieder an sich zu ziehen und gegen den Verwalter geltend zu machen. Ein solcher Beschluss ist auch notwendig, da nicht der Wohnungseigentümergemeinschaft sondern den einzelnen Mitgliedern aus den Beschlussanfechtungsverfahren der Schaden entstanden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Verwaltervertrag mit der Wohnungseigentümergemeinschaft geschlossen worden ist, weil der Verwaltervertrag Schutzwirkung zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer entfaltet. Die Klägerin macht demnach fremde Ansprüche im eigenen Namen geltend. Dies bedarf einer besonderen Ermächtigung. Nachdem eine sogenannte geborene Ausübungsbefugnis der Klägerin gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 HS 1 WEG nicht gegeben ist, da jeder Eigentümer ohne Mitwirkung der anderen Wohnungseigentümer seinen Schaden grundsätzlich allein geltend machen kann, bejaht der Bundesgerichtshof eine sogenannte gekorene Ausübungskompetenz gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 HS 2 WEG. Eine solche Ausübungsbefugnis ist möglich, wenn die Rechtsausübung durch den Verband dem Gemeinschaftsinteresse förderlich ist. Wenn dies zu bejahen ist, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft die Rechte der Wohnungseigentümer (in gesetzlicher Prozessstandschaft) unter der weiteren Voraussetzung ausüben, dass sie die Rechtsverfolgung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hat. Demnach muss die Verfolgung derartiger Schadensersatzansprüche nicht gemeinschaftlich erfolgen, kann es aber, wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer dies beschließt. Hierfür sprechen auch Gründe der Prozessökonomie. Bei einer einheitlichen Durchsetzung der Ansprüche durch den Verband kann gerade in größeren Wohnungseigentümergemeinschaften eine Zersplitterung der Rechtsdurchsetzung durch eine Vielzahl von Prozessen vermieden werden.

Der Bundesgerichtshof stellt aber auch klar, dass eine solche Vergemeinschaftung dann ausscheidet, wenn es sich um Schadenspositionen handelt, die nicht infolge der Übernahme der Prozesskoordination durch den Verwalter entstanden sind, sondern auf einem eigenen Verhalten eines Wohnungseigentümers beruhen. Das liegt z.B. dann vor, wenn ein Wohnungseigentümer selbst einen eigenen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte im Anfechtungsprozess beauftragt. Denn die Geltendmachung dieser Kosten durch den Verband ist dem Gemeinschaftsinteresse nicht förderlich, da es insoweit an einem Gemeinschaftsbezug fehlt. Es handelt sich dann um einen reinen Individualanspruch. Diesen muss der Eigentümer selbst verfolgen. Demnach kann grundsätzlich die Wohnungseigentümergemeinschaft die Schadensersatzansprüche ihrer Mitglieder gegen den Verwalter verfolgen.