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OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.02.2018 – 2 U 142/17 und OLG Celle, Urteil vom 09.11.2018 – 2 U 81/18 – “Wirksamkeit einer formularmäßigen Vereinbarung über die Übertragung der Betriebskosten


Es gibt zwei sich widersprechende Entscheidungen von Oberlandesgerichten zur Frage, ob in der Gewerberaummiete eine formularmäßige Vereinbarung über die Übertragung der Betriebskosten wirksam ist, wenn die Mietvertragsparteien im Mietvertrag durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung geregelt haben, dass der Mieter „sämtliche Betriebskosten“ oder „die Nebenkosten“ oder „alle umlagefähigen Nebenkosten“ zu tragen hat. Der in letzter Zeit vermehrt durch skurrile Rechtsprechung aufgefallene 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hält eine derartige Klausel für wirksam. Anderer Auffassung ist das Oberlandesgericht Celle und dieses hat meiner Meinung nach Recht.

In einem Urteil vom 10.02.2016 – VIII ZR 137/15 meinte der für die Wohnraummiete zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs  – und für die Wohnungsmiete ist dies auch aus meiner Sicht richtig -, in der Wohnraummiete genüge zur Übertragung der Betriebskosten auf den Mieter die auch formularmäßige Vereinbarung, dass dieser „die Betriebskosten“ zu tragen hat. Auch ohne Beifügung des Betriebskostenkatalogs oder ausdrückliche Bezugnahme auf § 556 Abs. 1 S. 2 BGB („Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen“) und die Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 sei damit die Umlage der in § 556 Abs. 1 S. 2 BGB definierten und in der Betriebskostenverordnung erläuterten Betriebskosten vereinbart. Der Bundesgerichtshof begründet diese nur für die Wohnraummiete einschlägige Entscheidung damit, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Begriff der Betriebskosten seit vielen Jahrzehnten durch Rechtsverordnung und später durch Gesetz – nämlich die Betriebskostenverordnung – definiert ist. Angesichts dieser Gesetzeslage, die den Begriff der Betriebskosten in der Wohnraummiete seit langem festlegt, ist der im Wohnungsmietvertrag verwendete Begriff der Betriebskosten ohne weiteres in dem Sinne zu verstehen, dass damit die in § 556 Abs. 1 S. 2 BGB definierten und in der Betriebskostenverordnung erläuterten Betriebskosten gemeint sind.

Im Wohnungsmietrecht ist der in der Betriebskostenverordnung definierte Betriebskostenkatalog abschließend. Anders verhält es sich in der Gewerberaummiete, in der über die Betriebskosten hinaus unter bestimmten Voraussetzungen auch die Umlage von Verwaltungskosten und Reparaturkosten (Kosten der Erhaltungslast) vereinbart werden kann. Deshalb folgt aus dem Urteil des Wohnungsmietsenats keinesfalls, dass diese Entscheidung auf die Gewerberaummiete übertragen werden kann.

Dennoch meint das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit einem Beschluss vom 19.04.2018 – 2 U 142/17 -, wenn die Parteien eines Gewerberaummietvertrags auch formularmäßig vereinbaren, dass der Mieter „die Nebenkosten“ oder „alle umlagefähigen Nebenkosten“ zu tragen habe, liege hierin auch ohne nähere Bestimmung der einzelnen Kostenarten oder eine Bezugnahme auf den Betriebskostenkatalog des § 2 Betriebskostenverordnung bzw. der Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung eine wirksame Umlage jedenfalls der im Betriebskostenkatalog zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses konkret aufgeführten Betriebskosten vor. Geradezu abenteuerlich wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, wenn das Gericht meint, die Unwirksamkeit einer Umlagevereinbarung hinsichtlich der Betriebs- bzw. Nebenkosten führe nicht dazu, dass die hierfür angesetzten Vorauszahlungen gänzlich aus der Miete entfallen. Es liege dann insoweit vielmehr eine Inklusivmiete oder eine Nebenkostenpauschale vor.

Anderer – meines Erachtens richtiger – Meinung ist das Oberlandesgericht Celle im Urteil vom 09.11.2018 – 2 U 81/18. Der vom Oberlandesgericht Celle zu beurteilende Gewerberaummietvertrag enthielt folgende formularmäßige Regelung über die Umlage von Betriebskosten:

„Sämtliche Betriebskosten werden von dem Mieter getragen. Hierunter fallen – insbesondere die Kosten der Be- und Entwässerung sowie der Heizung – einschließlich Zählermiete und Wartungskosten“.

Das Oberlandesgericht Celle meint, dass diese Klausel mit Ausnahme der aufgeführten Regelbeispiele nicht dem Bestimmtheitsgebot genügt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es nämlich einer ausdrücklichen und inhaltlich bestimmten Regelung, aus der sich ergibt, dass der Mieter neben der Grundmiete ganz oder anteilig Betriebskosten zu tragen hat. Letztere müssten der Art nach hinreichend konkretisiert werden. Denn nur dann ist es einem Mieter möglich, sich zumindest ein grobes Bild davon zu machen, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können (BGH, Urteil vom 02.05.2012 – XII ZR 88/10). Dieser Grundsatz gilt auch bei formularmäßigen Mietverträgen (OLG Brandenburg, Urteil vom 25.07.2012 – 3 U 147/11; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 556 Rn. 14). Dem Erfordernis inhaltlicher Bestimmtheit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann Genüge getan, wenn der Vertrag zur Umlegung der Betriebskosten eine Verweisung auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 2 II. Berechnungsverordnung (jetzt § 2 Betriebskostenverordnung) enthält, sofern es sich nicht um „sonstige Betriebskosten“ im Sinne von Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung handelt. Denn der allgemeine Verweis auf die Anlage 3 gibt dem Mieter hinsichtlich der Nr. 1-16 hinreichende Klarheit darüber, mit welchen Nebenkosten er jedenfalls dem Grunde nach zu rechnen hat (BGH, a. a. O. Rn. 15). Wenn ein Mietvertrag hingegen keine (abschließende) Aufzählung der umzulegenden Betriebskosten enthält und auch keine Verweisung auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung oder die Betriebskostenverordnung enthält, stellt sich die Frage der hinreichenden Bestimmtheit (vgl. BGH, a. a. O. Rn. 16 f.). Genauso verhält sich der vorliegende Fall. Denn auch hier fehlte es an einer abschließenden Aufzählung sowie eines konkreten Hinweises auf die Betriebskostenverordnung. Im Mietvertrag ist nur davon die Rede, dass der Mieter „sämtliche Betriebskosten“ zu tragen hat. Das reicht nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle für sich genommen aber nicht aus. Die Regelung im Mietvertrag spricht nur allgemein von „Betriebskosten“, ohne dass deutlich wird, welche Kosten damit im Einzelnen gemeint sind. Im vorliegenden Fall kann auch nicht unbesehen auf den Betriebskostenbegriff des § 556 BGB zurückgegriffen werden. Zwar ist richtig, dass der für Wohnraummietsachen zuständige Senat im Urteil vom 10.02.2016 – VIII ZR 137/15 – ausgeführt hat, dass der Begriff der Betriebskosten in der Wohnraummiete seit vielen Jahrzehnten durch Rechtsverordnung und später durch Gesetz definiert sei und dass der in einem Wohnraummietvertrag verwendete Begriff der „Betriebskosten gemäß Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II.BV“ ohne weiteres in dem Sinne zu verstehen sei, wie es jetzt in § 556 Abs. 1 S. 2 BGB geregelt sei. Vorliegend geht es jedoch um ein Gewerberaumietverhältnis, für das die Vorschrift des § 556 BGB gerade nicht zur Anwendung kommt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Gesetzgeber durch die gezielte Auswahl der auf die Geschäftsraummiete anwendbaren Vorschriften in § 578 BGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass § 556 BGB für die Geschäftsraummiete nicht gelten solle und über diesen Willen könne auch nicht im Wege der Analogie hinweggegangen werden (BGH, Urteil vom 27.01.2010 – XII ZR 22/07). Zudem fehlt es in dem vorliegenden Fall – anders als in dem vom VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschiedenen Fall – auch an einer Bezugnahme auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV oder die Betriebskostenverordnung. Eine solche Bezugnahme ist aber erforderlich, auch wenn der Begriff der Betriebskosten zum allgemeinen Sprachgebrauch gehört und der durchschnittlichen Mieter eine Vorstellung über die wesentlichen umlegbaren Nebenkosten hat.

Die entscheidende Frage ist also die, ob der allgemeine Begriff der Betriebskosten auch bei einem Gewerberaumietverhältnis unter Rückgriff auf die Betriebskostenverordnung definiert werden kann. Das Oberlandesgericht Celle verneint diese Frage zutreffend. Dagegen spricht nämlich, dass bei der Vermietung von Gewerberaum formularverträglich auch die Umlage solcher Betriebskosten möglich ist, welche nicht im Betriebskostenkatalog des § 2 Betriebskostenverordnung genannt sind, wozu Kosten im Sinne von § 2 Nr. 17 Betriebskostenverordnung oder Instandhaltungs- und Verwaltungskosten zählen. Von einer ausreichenden Bestimmtheit kann im vorliegenden Fall auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil der allgemeine Begriff der „Betriebskosten“ offenlässt, wie es sich mit den Kosten verhält, die nach der Betriebskostenverordnung nicht zu den Betriebskosten gehören, welche aber – wenn sie ausdrückliche Erwähnung gefunden haben wie z.B. Verwaltungskosten – umlegbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 10.09.2014 – XII ZR 56/11). Die Formulierung „sämtliche Betriebskosten“ ist insoweit in hohem Maße intransparent, weil sie die von der Mieterseite zu tragende Kostenlast – mit Ausnahme der aufgezählten Einzelpositionen – weder inhaltlich noch ihrem Umfang nach ansatzweise in einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Weise erkennen lässt.

Das Oberlandesgericht Celle begründet auch überzeugend, weshalb die Meinung des Oberlandesgerichts Frankfurt im Beschluss vom 14.02.2018 – 2 U 142/17 – NZM 2017, 789 falsch ist. Zum einen greift das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ohne weitere Begründung auf die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zurück, ohne die entscheidungserhebliche Frage zu erörtern, ob diese Rechtsprechung im Gewerberaummietrecht ebenfalls herangezogen werden kann. Zum anderen hat sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Beschluss auch nicht mit der Frage befasst, inwieweit dem Bestimmtheitsgebot auch dann Genüge getan ist, wenn beispielhaft Betriebskosten aufgeführt werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nimmt insoweit Bezug auf eine weitere Entscheidung des für Wohnraummietsachen zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, die aber schon deshalb nicht verallgemeinerungsfähig ist, weil der dieser Entscheidung zugrunde liegende Mietvertrag eine abschließende Aufzählung der Betriebskosten enthielt.

Das Oberlandesgericht Celle hat die Revision zugelassen. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof angerufen wird, damit Rechtssicherheit geschaffen wird.