Project Description

Kammergericht Berlin, Urteil vom 17.12.2019 – 3 U 25/19 – “Wirksame Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit“


Immer wieder wird in Prozessen darüber diskutiert, ob eine Formularklausel wirksam ist, mit dem die Aufrechnungsbefugnis auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen beschränkt wird. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 17.12.2019 (3 U 25/19) erneut festgestellt, dass eine derartige Regelung nicht zu beanstanden ist.

Im formularmäßigen Mietvertrag wurde zur Aufrechnung und Zurückbehaltung geregelt:

„Der Mieter kann gegenüber Mietforderungen mit Gegenforderungen nur aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, wenn die Gegenforderung unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist“.

Die zuständige Bauaufsichtsbehörde erließ eine Ordnungsverfügung, in der angeordnet wurde, dass die Nutzung der Räume, in der der Mieter eine Pflegewohngemeinschaft betrieb, bis zum 31.01.2014 aufzugeben ist, wobei die sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Im Zeitraum von Februar 2014 bis zum Oktober 2014 zahlte der Mieter die Miete nur unter Vorbehalt. Mit Bescheid vom 01.10.2014 erteilte die Bauaufsichtsbehörde eine bis am 31.01.2018 befristete Nutzungsgenehmigung. Für die Monate Mai bis November 2017 zahlte der Mieter keine Miete, sodass der Vermieter Zahlungsklage erhob und das befristete Mietverhältnis fristlos kündigte. Der Mieter erklärte gegen die Klageforderung Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der Mieten für die Zeit von Februar bis Oktober 2014. Diesen Rückzahlungsanspruch begründete der Mieter damit, dass die Mietsache im genannten Zeitraum nicht nutzbar war, sodass er wegen dieses Mangels der Mietsache von der Mietzahlungsverpflichtung befreit gewesen sei. Das mietvertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot erachtet der Mieter für unwirksam. Er macht geltend, das formularmäßige Aufrechnungsverbot sei wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Auch verliere ein vertraglicher Aufrechnungsausschluss seine Wirkungen, wenn das Mietverhältnis wie hier beendet ist und sich die Parteien bereits in einem Rechtsstreit gegenüberstehen. Schließlich greife das Aufrechnungsverbot auch deshalb nicht, weil die Gegenforderung des Mieters, mit der Aufrechnung erklärt werde, entscheidungsreif sei (d.h. dass das Gericht ohne Beweisaufnahme über die Gegenforderung entscheiden könne).

Das Brandenburgische Oberlandesgericht entscheidet, dass die Einwendungen des Mieters unbegründet sind und die Formularklausel zum Aufrechnungsverbot wirksam ist. Sie stelle keine unangemessene Benachteiligung dar. Der Bundesgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen die Formulierung, dass nur unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen von dem Aufrechnungsverbot ausgenommen sind, unbeanstandet gelassen und die Klausel als wirksam erachtet (BGH, Urteile vom 17.02.1986 – II ZR 285/14 – Tz. 10; vom 10.01.1991 – III ZR 141/90 – Tz. 35; vom 27.01.1993 – XII ZR 141/91 – Tz. 16 und vom 15.12.2010 – XII ZR 132/09 – Tz. 21). Die Unwirksamkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass nach der Klausel nicht auch entscheidungsreife Gegenforderungen von dem Aufrechnungsverbot ausgenommen sind. Denn aus § 308 Nr. 3 BGB ergibt sich, dass der Gesetzgeber lediglich den Ausschluss der Aufrechnung mit unbestrittenen oder schon rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen als unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners erachtet, nicht aber auch ein Aufrechnungsverbot bezüglich entscheidungsreifer Gegenforderungen (OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2016, I-30 U 14/16, NJW-RR 2017, 208). Auch steht die Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Mietsache einer fortdauernden Geltung des Aufrechnungsverbots nicht entgegen. Die Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis auf unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen verliert nämlich ihren Sinn und Zweck nicht mit Beendigung des Mietverhältnisses (BGH NJW-RR 2000, 530 Tz. 1 für eine individuell vereinbarte Beschränkung; OLG Hamm, a. a. O.). Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.10.1993, XII ZR 141/91, NJW-RR 1993, 519 folgt nichts anderes. Hieraus ergibt sich lediglich, dass einem Gewerberaummieter durch Allgemeine Geschäftsbedingungen die Gewährleistungsrechte aufgrund von Mängeln der Mietsache nicht vollständig entzogen werden dürfen, sondern ihm die Möglichkeit verbleiben muss, eine gesonderte Klage aus § 812 BGB zu erheben. So liegt der Fall auch hier. Dem Mieter bleibt es nach den Regelungen im Mietvertrag unbenommen, die Rückzahlung zu viel gezahlter Mieten aus § 812 BGB in einem gesonderten Prozess geltend zu machen, lediglich die Möglichkeit der Aufrechnung ist zulässigerweise eingeschränkt. Dass im kaufmännischen Verkehr der Mieter hinsichtlich des Minderungsrechts auf eine gesonderte Klage verwiesen werden kann, entspricht herrschender Auffassung und dies hat der Bundesgerichtshof auch in dem Urteil vom 27.10.1993 bestätigt.

Schließlich ist das Berufen des Vermieters auf das Aufrechnungsverbot auch nicht nach     § 242 BGB treuwidrig. Zwar kann die Berufung auf ein Aufrechnungsverbot ausnahmsweise treuwidrig sein, wenn Entscheidungsreife hinsichtlich der Gegenforderung vorliegt (BGH, Urteile vom 15.02.1978, VIII ZR 242/79, Tz. 11 und vom 17.02.1986, II ZR 285/84, Tz. 8 ff.). Der Bundesgerichtshof nimmt eine Treuwidrigkeit in solchen Fällen aber nur dann an, wenn Klage- und Aufrechnungsforderung in untrennbarem Zusammenhang stehen und Entscheidungsreife hinsichtlich der einen Forderung auch Entscheidungsreife bezüglich der anderen Forderung bedeutet. Denn nur wenn mit der Entscheidung über die Klageforderung zugleich feststehe, dass auch die Aufrechnungsforderung begründet sei, verhalte sich die Partei treuwidrig, die sich auf das Aufrechnungsverbot berufe (BGH a. a. O.). Vorliegend stehen Klage- und Gegenforderung jedoch nicht in einem untrennbaren Zusammenhang, sondern sind unabhängig voneinander zur Entscheidung reif oder auch nicht (vergleiche auch OLG Hamm, a. a. O.). Auf die Frage, ob die Miete im Zeitraum zwischen Februar und Oktober 2014 von Gesetzes wegen aufgrund der Nutzungsuntersagung gemindert war und dem Mieter ein Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB zustünde, kommt es deshalb nicht mehr an.