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Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.09.2022 – V ZR 69/21 – “Wie ist der Selbstbehalt der Gebäudeversicherung zu verteilen?“


Ist ein Leitungswasserschaden im räumlichen Bereich des Sondereigentums eingetreten, so ist vorbehaltlich einer abweichenden Regelung der Selbstbehalt von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu zahlen, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu der Anlage gehören Wohnungen der Beklagten und eine gewerbliche Einheit der Klägerin. Die Wohnungseigentümergemeinschaft unterhält eine Gebäudeversicherung, wobei der Versicherungsschutz für das gesamte Gebäude besteht, ohne dass zwischen Sonder- oder Gemeinschaftseigentum unterschieden wird. Aufgrund häufiger Schadensfälle gibt es bei der Versicherung inzwischen einen Selbstbehalt von Eur 7.500,00. Die Klägerin verlangt im Wege einer Beschlussersetzungsklage mit zwei Anträgen, dass der im Versicherungsantrag vereinbarte Selbstbehalt für die Beseitigung von Leitungs- und Folgeschäden, der ausschließlich das Sondereigentum der Beklagten betrifft, nicht mehr auf die Klägerin verteilt wird. Im Antrag Z. 1 wendet sich die Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der derzeitigen Verwaltungspraxis, in welchem eine Verteilung des Selbstbehaltes auf alle Eigentümer erfolgt, obwohl nur das Sondereigentum des Beklagten durchfeuchtet war. Die Klägerin argumentiert damit, dass es sich beim Selbstbehalt um keine Gemeinschaftskosten handelt. Mit dem Antrag zu 2 verlangt die Klägerin die künftige Änderung des Verteilungsschlüssels.

Mit Klageantrag Z. 1 scheitert die Klägerin. Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass die Klägerin nicht verlangen kann, dass ein ihrer Rechtsauffassung nach entsprechendem Beschluss durch das Gericht ersetzt wird. Denn tritt in einer Wohnungseigentumsanlage aufgrund einer defekten Wasserleitung ein Schaden ein, ist ein vereinbarter Selbstbehalt – wie die Versicherungsprämie auch – nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen. Das gilt unabhängig davon, ob der Schaden im Sonder- oder Gemeinschaftseigentum entstanden ist. Es würde der Interessenlage der Wohnungseigentümer nicht gerecht werden, wenn ein geschädigter Sondereigentümer den Selbstbehalt alleine tragen müsste. Denn die Entscheidung für einen Selbstbehalt im Versicherungsvertrag ist regelmäßig damit verbunden, dass die Gemeinschaft als Versicherungsnehmerin eine herabgesetzte Prämie zu zahlen hat. Dadurch wird das Hausgeld aller Eigentümer verringert, was wirtschaftlich sinnvoll ist. Damit handelt es sich bei wertender Betrachtung beim Selbstbehalt wie auch der Versicherungsprämie selbst um einen Teil der Gemeinschaftskosten, die von allen Eigentümern gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 WEG zu tragen sind. Demzufolge hat der Bundesgerichtshof die Klagabweisung des Antrages Nr. 1 bestätigt.

Der Klageantrag Z. 2 ist darauf gerichtet, dass künftig der Selbstbehalt eines Schadens am Sondereigentum allein von den Eigentümern der betroffenen Wohneinheiten getragen wird. Zu einer Änderung des künftigen Verteilungsschlüssels sind die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG befugt. Ein Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers, wie der Klägerin auf eine Beschlussfassung ist aber nur dann gegeben, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unbillig ist. Dann könnte die Minderheit die Mehrheit dazu bewegen, einen solchen abändernden Beschluss zu fassen, der künftig eine andere Verteilung vorsieht. Demzufolge hat der Bundesgerichtshof die Klagabweisung des Klageantrags Ziffer 2 aufgehoben und die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit das Gericht Feststellungen treffen kann, ob diese schwerwiegenden Gründe vorliegen. In besonderen Fällen kann daher ein einzelner Eigentümer die Mehrheit dazu zwingen, einen anderen Verteilungsschlüssel als den gesetzlichen zu verwenden. Im Übrigen handelt es sich beim Selbstbehalt um Gemeinschaftskosten.