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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2022 – VIII ZB 58/21 – “Widerspruch gegen Kündigung kann sofortige Klage des Vermieters begründen“


Eine vor Ablauf der Kündigungsfrist erhobene Klage auf Räumung von Wohnraum hat grundsätzlich keine Aussicht auf Erfolg, da der Räumungsanspruch noch nicht fällig ist. Demnach muss der Vermieter grundsätzlich den Ablauf einer Kündigungsfrist abwarten, bevor er die Räumungsklage erhebt. Es gibt aber auch Ausnahmen. Nach § 259 ZPO kann eine Klage auf künftige Räumung erhoben werden, wenn die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Mieter sich der rechtzeitigen Räumung entziehen wird. Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr über einen Fall zu entscheiden, in welchem der Mieter von seinem Widerspruchsrecht gegen die Kündigung nach § 574 BGB Gebrauch gemacht hat und dem Vermieter mitteilte, dass er keinen angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen beschaffen konnte, weshalb er die Fortsetzung des Mietverhältnisses über die Kündigungsfrist hinaus verlange. § 574 BGB sieht eine solche Widerspruchsmöglichkeit des Mieters vor, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Nach § 574 Abs. 2 BGB liegt eine Härte vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

Der Vermieter erhob vor Ablauf der am 31.03.2021 endenden Kündigungsfrist Räumungsklage. Im Rechtsstreit teilte der Mieter mit, dass er inzwischen eine Wohnung gefunden hat und gab die Wohnung fristgerecht am 31.03.2021 zurück. Der Vermieter erklärte die Klage sodann für erledigt und beantragte, dem beklagten Mieter die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da nach seiner Ansicht nach die Klage von Anfang an zulässig und begründet gewesen ist. Das Amtsgericht hat die Kosten dem Mieter auferlegt. Das Landgericht hat die Entscheidung abgeändert und gemeint, dass der Vermieter die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, da die vor Ablauf der Kündigungsfrist erhobene Räumungsklage unzulässig gewesen ist.

Dem folgt der Bundesgerichtshof nicht. Er entscheidet, dass § 259 ZPO mit der Möglichkeit der Klage auf künftige Räumung auch dann anwendbar sei, wenn der Mieter lediglich von seinem Widerspruchsrecht nach § 574 BGB Gebrauch macht. Denn nach dem Wortlaut von § 259 ZPO liegt das „Sich-Entziehen“ auch dann vor, wenn der Mieter deutlich macht, er werde mangels Verfügbarkeit von Ersatzwohnraum über den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses hinaus in der Wohnung des Vermieters verbleiben. Unerheblich ist auch, ob sich der Mieter zu dem angekündigten Verhalten berechtigt halten durfte. Die Motive sind unerheblich. § 259 ZPO bezweckt den Schutz des Gläubigers und damit hier des Vermieters, der bei Besorgnis der Gefährdung seines Räumungsanspruchs nicht mit der Erhebung der Klage zuwarten muss, bis der Anspruch fällig wird. Auch die dem Schutz des Mieters dienenden Vorschriften des Widerspruchs gegen die Kündigung nach § 574 BGB rechtfertigen es nicht, § 259 ZPO einzuschränken. Denn im Räumungsurteil wird nur ausgesprochen, dass der Mieter frühestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zur Räumung verpflichtet ist. Ihm steht daher die Kündigungsfrist auch im Falle einer vorherigen Verurteilung weiter zur Verfügung. Auch die seinem Zweck dienenden Vorschriften des Widerspruches nach § 574 BGB werden nicht tangiert. Denn im Rahmen des Räumungsrechtsstreits kann der Mieter geltend machen, dass die Härtegründe vorliegen, die das Gericht auch prüfen muss. Demzufolge war aufgrund des Widerspruchs des Mieters die Besorgnis, sich der rechtzeitigen Räumung zu entziehen nach § 259 ZPO gegeben und die Räumungsklage daher auch vor Ablauf der Kündigungsfrist zulässig.

Will der Vermieter vor Ablauf der Kündigungsfrist eine Räumungsklage erheben, wird er prüfen und darzulegen haben, dass der Mieter Erklärungen abgegeben hat, die die Besorgnis rechtfertigen, dass der Mieter sich der rechtzeitigen Räumung entziehen werde. Der Mieter wird bei Abgabe etwaiger Erklärungen zu überprüfen haben, ob solche sinnvoll sind oder diese eine vorzeitige Räumungsklage des Vermieters provoziert.