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OLG Hamm, Urteil vom 22.02.2017 – 30 U 115/16 – “Wer anderen eine Grube gräbt…


Das Oberlandesgericht Hamm hatte mit Urteil vom 22.02.2017 (30 U 115/16) einen recht amüsanten Fall zu entscheiden. Grundstückseigentümer und Hauptvermieter und Untermieter versuchten, den Hauptmieter (= Untervermieter) hereinzulegen, was gründlich daneben ging.

Der Eigentümer vermietete eine Gewerbeimmobilie an den Mieter. Dieser vermietet die Räume unter, wobei zwischen Mieter und Untermieter eine Mietdauer bis 31.07.2016 vereinbart wird. Der Untermieter zahlt ab Dezember 2014 keine Miete mehr, sondern erklärt die fristlose Kündigung gegenüber dem Mieter (= Untervermieter) mit der Begründung, das Hauptmietverhältnis sei aufgrund einer Befristung beendet und der Mieter (= Untervermieter) somit nicht mehr in der Lage, den Untermietvertrag zu erfüllen. Der Mieter (Untervermieter) klagt daraufhin auf Räumung gegen den Untermieter, der sich mit dem Argument verteidigt, er sei zumindest deshalb nicht zur Räumung verpflichtet, weil er mit Wirkung ab Dezember 2014 mit dem Vermieter (= Eigentümer) einen eigenen Mietvertrag geschlossen habe.

Das Oberlandesgericht Hamm verurteilt den Untermieter mit Entscheidung vom 22.02.2017 zur Räumung. Im Rechtsstreit hatte der Untervermieter einen Mietvertrag mit den Eigentümern vorgelegt, der keine Befristung enthielt, sondern auf unbestimmte Zeit lief. Der Untermieter legte hingegen einen Mietvertrag zwischen Eigentümer und Untervermieter vor, der bis 31.12.2014 befristet war, bei dem aber auch angekreuzt wurde, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit laufe und mit einer dreimonatigen Frist jederzeit kündbar war. Der Untermieter behauptete, der Hauptvermieter (Eigentümer) hätte das Mietverhältnis mit dem Mieter (Untervermieter) ordentlich gekündigt. Der Mieter (Untervermieter) bestritt den Zugang der Kündigung. Das Kündigungsschreiben soll angeblich durch den Rechtsanwalt des Eigentümers als Boten in den Briefkasten des Mieters eingeworfen worden sein. Der Rechtsanwalt wird als Zeuge vernommen und das Oberlandesgericht Hamm geht davon aus, dass der Zugang des Kündigungsschreibens nicht bewiesen werden konnte. Zwar hat der Rechtsanwalt bekundet, das Kündigungsschreiben im Auftrag des Eigentümers gefertigt und persönlich in den Briefkasten des Mieters eingeworfen zu haben. Zu Anordnung und Optik der Briefkästen vermochte der Zeuge hingegen keine Angaben zu machen. Weder vermochte er zu bekunden, ob die Briefkästen über- oder nebeneinander angeordnet waren, noch mit Sicherheit, ob sie sich von der Haustür aus gesehen links oder rechts befunden haben. Ebenso hatte er keine genaue Erinnerung an die Beschriftung des Briefkastens des Mieters mehr, insbesondere daran nicht, ob diese nur den Nachnamen oder auch den Vornamen bzw. den Anfangsbuchstaben desselben erhielt. Zu den Beschriftungen der weiteren Briefkästen, insbesondere dazu, ob diese überhaupt beschriftet waren, hatte der Zeuge auch keine Erinnerungen mehr. Angesichts dieser erheblichen Erinnerungslücken ist die Aussage des Zeugen bei der gebotenen Gesamtwürdigung nicht geeignet, eine hinreichend sichere Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit des Vortrags des Untermieters zum Zugang des Kündigungsschreibens zu begründen.

Somit war von einem ungekündigten Hauptmietverhältnis zwischen Eigentümer und Mieter auszugehen, wenn man von dem Mietvertragsexemplar ausgeht, das der Mieter (Untervermieter) vorlegte und das keine Befristung enthielt. Das Oberlandesgericht Hamm führt sodann aus, wenn das Hauptverhältnis durch das von dem Untermieter vorgelegte Vertragsexemplar begründet worden sein solle, gelte im Ergebnis nichts anderes, denn dann wäre der Hauptmietvertrag ebenfalls nicht wegen Befristung abgelaufen, sondern lediglich jederzeit kündbar gewesen. Wird ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in Schriftform geschlossen, gilt er für unbestimmte Zeit, § 550 BGB. So liegt es hier. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (BGH NJW 2013, 1083 Rn. 22). Daran fehlt es hier. Die Dauer des Mietverhältnisses ergibt sich aus dem vom Untermieter vorgelegten Exemplar des Mietvertrages zwischen Eigentümer und Mieter, welches die Befristung enthält, nicht. Zwar ist in diesem Mietvertragsexemplar die Befristung bis 30.11.2014 enthalten. Gleichzeitig ist in dieser Vertragsurkunde aber angekreuzt, das Mietverhältnis laufe auf unbestimmte Zeit und sei mit einer dreimonatigen Frist jederzeit kündbar. Somit ergibt sich aus der Vertragsurkunde nicht die notwendige Einigung über die Dauer des Mietverhältnisses, weil der Vertrag widersprüchliche Angaben enthält. Folge ist, dass ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit vorliegt, das zwar jederzeit ordentlich kündbar ist. Da aber der Zugang der Kündigung nicht nachgewiesen werden konnte, besteht das Hauptmietverhältnis ungekündigt fort.

Das Untermietverhältnis war aber befristet bis 31.07.2016 und somit zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Oberlandesgericht Hamm durch Zeitablauf beendet. Somit war der Untermieter zur Räumung und Herausgabe an den Mieter (Untervermieter) zu verurteilen. Dem kann der Untermieter auch nicht entgegenhalten, dass er einen Mietvertrag mit den Eigentümern abgeschlossen habe. Bei dem Hauptmietverhältnis und dem Untermietverhältnis handelt es sich nämlich um zwei voneinander zu trennende Rechtsverhältnisse. Der Mieter (Untervermieter) hat aus dem Untermietverhältnis einen Herausgabeanspruch gegen den Untermieter nach § 546 Abs. 1 BGB. Einem diesem Verhältnis entstammenden Herausgabeanspruch steht ein nachfolgend zwischen Untermieter und Hauptvermieter geschlossenes eigenes vertragliches Verhältnis nicht entgegen, solange das Vertragsverhältnis zwischen Haupt- und Untervermieter noch nicht beendet ist (BGH NJW 1996, 46).

Auch auf den Gesichtspunkt von Treu und Glauben konnte sich der Untermieter nicht berufen. Im Gegenteil, der Untermieter hat durch Abschluss des Mietvertrages mit dem Eigentümer seine eigene Treuepflicht gegenüber dem Untervermieter verletzt. Auch der Hauptvermieter ist durch die Vereinbarung mit dem Untermieter im Verhältnis zum Mieter (Untervermieter) vertragsbrüchig geworden. Es widerspräche daher sogar den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn die Durchsetzung des Räumungsanspruchs des Mieters (Untervermieters) diese zumindest objektiv pflichtwidrig getroffene Vereinbarung zwischen Vermieter (Eigentümer) und Untermieter entgegengehalten werden könnte.

Es haben also zwei Parteien (Eigentümer und Untermieter) geglaubt, besonders clever zu sein. Das war jedoch nicht so. Wenn man dann auch noch einen besonders dussligen Boten (hier den Rechtsanwalt des Eigentümers, der die vermeintlich „geniale“ Strategie wohl auch erdachte) hat, der die ordnungsgemäße Zustellung eines Kündigungsschreibens nicht bekunden kann, fällt man in die Grube, die man selbst gegraben hat. Das ist eigentlich auch durchaus zufriedenstellend.