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Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2020 – V ZR 196/19 – “Welcher über Prüfungsmaßstab gilt bei der Inhaltskontrolle einer Gemeinschaftsordnung?“


Die strengen Regelungen über die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) sind auf die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht entsprechend anwendbar. Vielmehr findet nur eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB statt, demnach ist der Maßstab von Treu und Glauben maßgebend. Eine Unwirksamkeit ist daher nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar, so der Bundesgerichtshof. Der strenge Maßstab der §§ 307 ff. BGB findet nur dann ausnahmsweise Anwendung, wenn die Gemeinschaftsordnung vorschreibt, dass die Wohnungseigentum als Verbraucher bestimmte Verträge mit Dritten abschließen müssen. Hier muss die unionsrechtliche Klauselrichtlinie (Richtlinie 93/13/EWG) beachtet werden, die einen bestimmten Schutz bei Verbraucherverträgen vorsieht. Aus denselben Gründen unterliegt eine Gemeinschaftsordnung ebenfalls einer AGB-Kontrolle, wenn der Inhalt des Verwaltervertrages zum Bestandteil der Gemeinschaftsordnung gemacht worden ist. Der Bundesgerichtshof hat bei dieser Gelegenheit bestätigt, dass die Regelung in einer Gemeinschaftsordnung, wonach für die Ordnungsgemäßheit der Einberufung die Absendung an die Anschrift genügt, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist, wirksam ist. Darüber hinaus gilt diese Regelung auf alle Wohnungseigentümer und nicht nur auf diejenigen, die einen Wohnsitzwechsel nicht mitgeteilt haben. Diese Regelung findet sich oft in Gemeinschaftsordnungen. Die Entscheidung sorgt für weitere Rechtssicherheit und Praktikabilität, verhindert Beschlussanfechtungen aus formalen Gründen und einen enormen Verwaltungs- und Kostenaufwand der Verwaltungen, was zu begrüßen ist. Der Wohnungseigentümer, der keine Einladung erhalten hat, da sie z. B. auf dem Postwege verloren gegangen ist, kann seine Rechte in der Beschlussmängelklage geltend machen. Wenn er die Frist schuldlos versäumt, kann er Wiedereinsetzung gemäß den §§ 233 ff. ZPO verlangen und so die Anfechtungsfrist wahren.