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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.03.2022 – 9 AZR 260/21 – “Weitere Verschärfung der Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Rückzahlungsvereinbarungen bei vom Arbeitgeber getragenen Fortbildungskosten“


Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 01.03.2022 die Klage eines Arbeitgebers auf Rückzahlung von für eine Fortbildung der Arbeitnehmerin verauslagten Beträgen abgewiesen und dabei die Anforderungen an eine wirksame Vereinbarung zur Regelung der Rückzahlungsverpflichtung weiter erhöht. Es bleibt dabei, dass solche Vereinbarungen einer gerichtlichen Überprüfung nur selten standhalten, auch da sich die Rechtsprechung, wie im vorliegenden Falle, immer wieder neue Anforderungen einfallen lässt.

In der der Entscheidung zugrunde liegenden Vereinbarung war, entsprechend den bisherigen Grundsätzen der Rechtsprechung bezüglich des Beendigungsgrunds danach unterschieden worden, ob der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen, nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenen Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der Bindungsfrist ausscheidet. Hintergrund war, dass der Arbeitnehmer nur dann nach der bisherigen Rechtsprechung zur Rückzahlung verpflichtet werden durfte, wenn er aus freien Stücken (oder wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens) aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, nicht aber wenn er z.B. aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung seinen Arbeitsplatz während der Bindungsfrist verlor.

Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass die Regelung, wonach die Rückzahlungspflicht bei Eigenkündigungen des Arbeitnehmers immer dann besteht, wenn diese nicht auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenen Grund beruhe, den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Dies begründet das Bundesarbeitsgericht damit, dass nach dieser Regelung der Arbeitnehmer auch dann die Fortbildungskosten zurückzahlen müsse, wenn er unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitgebers aus Gründen in seiner Person dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die erworbene Qualifikation im Rahmen der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu nutzen. Das Risiko, dass die Investitionen in den Arbeitnehmer sich aufgrund von diesem unverschuldeter, dauerhafter Leistungsunfähigkeit nicht amortisiert, sei dem unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers zuzurechnen und nicht auf den Arbeitnehmer zu übertragen.

Das Bundesarbeitsgericht betont ausdrücklich, dass es für die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer im vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall durch solche personenbedingte Gründe zur Eigenkündigung veranlasst wurde. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen einer unangemessenen Formularklausel, nicht erst deren unangemessene Anwendung im konkreten Einzelfall.

Mit dieser Entscheidung dürften zahlreiche, auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung erstellte Rückzahlungsvereinbarungen unwirksam sein. Arbeitgeber, die solche Vereinbarungen regelmäßig abschließen, müssen diese an die neuen Gegebenheiten anpassen.