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Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.06.2018 – II ZR 65/16 – “Wann ist ein Einziehungsbeschluss nichtig?


Die Klägerin verlangt von der beklagten GmbH wegen ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft die Zahlung einer Abfindung. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten hat am 26.06.2000 beschlossen, den Geschäftsanteil der Klägerin, der sich damals auf 25 % des Stammkapitals belief, wegen Verletzung der Gesellschafterpflichten einzuziehen. Mit Schreiben vom 28.09.2000 erklärte die Klägerin ihrerseits die Kündigung der Gesellschaft. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschloss nach der Kündigung der Klägerin die Fortsetzung der Gesellschaft, fasste aber zunächst keinen weiteren Beschluss über eine Einziehung oder Abtretung des Geschäftsanteils. Eine von der Klägerin erhobene Auflösungsklage gemäß § 61 GmbHG wurde rechtskräftig abgewiesen. Am 21.12.2000 erhielt die Klägerin eine Abfindungszahlung in Höhe von 60.500,00 DM. Am 09.08.2006 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten unter Bezugnahme auf die Kündigung vom 28.09.2000 erneut die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin, sowie die Ermittlung des noch zu zahlenden Abfindungsbetrages durch Sachverständigengutachten. Das Landgericht hat der auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von EUR 167.680,84 gerichteten Klage stattgegeben und dabei offengelassen, ob die Klägerin schon im Jahr 2000 oder erst im Jahr 2006 aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin bereits mit der Bekanntgabe des Einziehungsbeschlusses vom 26.06.2000 ausgeschieden sei. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof eine Abweisung der Klage.

Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass das Urteil des Berufungsgerichtes keinen Bestand haben kann, da die Ausführungen revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht standhalten. Aus dem Einziehungsbeschluss vom 26.06.2000 kann sich der geltend gemachte Abfindungsanspruch nicht ergeben, weil dieser Beschluss nichtig war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist nämlich ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freien, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigendem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann. Das Berufungsgericht ging aber selbst in seinen Gründen davon aus, dass diese Voraussetzung im Jahr 2000 vorlag.

Auch kann die Nichtigkeit nicht deshalb verneint werden, weil die Gesellschaft über ausreichende stille Reserven verfüge, deren Auflösung für sie zumutbar sei. Denn mit dieser Rechtsansicht wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die hier in Rede stehenden Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses in Anwendung der §§ 30 Abs. 1, 34 Abs. 3 GmbHG dem Grundsatz der Kapitalerhaltung und damit dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dient. Für das in den vorbenannten Vorschriften bestehende Auszahlungsverbot gilt eine bilanzielle Betrachtungsweise. Auszahlungen an ausscheidende Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen. Deren Vorliegen bestimmt sich nicht nach den Verkehrswerten, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz. Stille Reserven finden demnach keine Berücksichtigung. Die bloße Möglichkeit einer Auflösung stiller Reserven steht einer hinreichenden Ausstattung der Gesellschaft mit ungebundenen Vermögen auch nicht gleich.

Die Klägerin ist auch nicht durch ihre Kündigung vom 28.09.2000 aus der Gesellschaft ausgeschieden. Denn nach dem Gesellschaftsvertrag führt eine Kündigung erst dann zum Ausscheiden, wenn die verbleibenden Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen und die Gesellschafterversammlung außerdem die Einziehung oder Abtretung beschließt. Die Gesellschafterversammlung hat aber einen solchen Beschluss über die Einziehung oder Abtretung nicht gefasst.

Der Bundesgerichtshof hat daher die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, nachdem dieses sich mit dem Einziehungsbeschluss vom 09.08.2006 nicht befasst hat. Das Berufungsgericht wird daher zu überprüfen haben, ob der Klägerin möglicherweise aus diesem Beschluss aus dem Jahr 2006 die Ansprüche auf Abfindung zustehen. Der Beschluss aus dem Jahr 2000 kann jedenfalls keine Grundlage für die Ansprüche bilden.