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Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2024 – II ZR 85/23 – „Wann darf der Gesellschafter Ansprüche der Gesellschaft einklagen? „
Eine Minderheitsgesellschafterin einer zweigliedrigen GmbH macht Zahlungsansprüche gegen zwei Geschäftsführer der Gesellschaft auf Schadensersatz gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG geltend. Zuvor hat sich diese Gesellschafterin bemüht in der Gesellschafterversammlung einen Beschluss herbeizuführen, dessen Inhalt die Prüfung und gegebenenfalls Geltendmachung von Ansprüchen gegen diese Geschäftsführer sein sollte. Die Mehrheitsgesellschafterin ist auch eine GmbH, an welcher die beiden Geschäftsführer (und noch weitere Personen) als Gesellschafter beteiligt sind. Diese Mehrheitsgesellschafterin – vertreten durch die Beklagten als deren Geschäftsführer – stimmte gegen den Beschluss, die Klägerin dafür. Eine Beschlussfeststellung erfolgte „angesichts der unklaren Rechtslage“ nicht.
Der Bundesgerichtshof bestätigt das Urteil des Berufungsgerichts, wonach die Klage unzulässig ist. Denn die Gesellschafterklage ist gegenüber einem Tätigwerden der zuständigen Gesellschaftsorgane grundsätzlich subsidiär. Dieser Vorrang entfällt nur dann, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er die Gesellschaft zunächst zu einer Haftungsklage zwingen. Dies hat sich auch nach der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts nicht geändert, so der BGH.
Die Gesellschafterklage ist auch vorliegend nachrangig. Denn die Gesellschaft ist ohne Weiteres in der Lage, die Beklagten selbst nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftbar zu machen. Ein Geltendmachungsbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG entfällt in einer zweigliedrigen GmbH nämlich, wenn der andere Gesellschafter einem Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegt. Dann würde die Beschlussfassung eine überflüssige Formalität bedeuten. Unter diesen Umständen bedarf es deshalb auch keiner Beschlussfassung über die Bestellung eines Prozessvertreters, so der BGH.
Vorliegend liegt ein solches Stimmrechtsverbot vor. Die Mehrheitsgesellschafterin konnte nämlich nicht durch die Beklagten abstimmen. Bei einer Beschlussfassung in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung über Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem ihrer Geschäftsführer und die Bestellung eines Prozessvertreters zur Verfolgung dieser Ansprüche kann der betroffene Geschäftsführer das Stimmrecht nicht für einen Gesellschafter ausüben. Aus dem im § 47 Abs. 2 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken kann niemand Richter in eigener Sache sein. Die beklagten Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin sind zwar nicht Gesellschafter der Gesellschaft selbst, konnten aber aufgrund des Schutzzwecks des Stimmverbots nicht für die Mehrheitsgesellschafterin das Stimmrecht ausüben. Damit durfte der Bundesgerichtshof auch offenlassen, ob die Beklagten wegen ihrer Beteiligung an der Mehrheitsgesellschafterin und ihres damit verbundenen Einflusses auf diese selbst einem Stimmrechtsverbot unterlagen.
In dieser Situation ist der verbliebene stimmberechtigte Gesellschafter einer zweigliedrigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (hier die Klägerin) zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess oder Bestellung eines Prozessvertreters berechtigt, ohne dass es dazu noch der Fassung eines dahingehenden förmlichen Beschlusses durch ihn bedarf. Denn auch eine solche Beschlussfassung wäre eine überflüssige Formalität.
Der Bundesgerichtshof führt noch aus, dass die Klägerin und die Mehrheitsgesellschafterin über die Geltendmachung der Ansprüche gegen die Gesellschafter ohnehin abgestimmt haben. Damit haben sie auch einen Geltendmachungsbeschluss gefasst, da die Abgabe der Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin wegen des Stimmrechtsausschlusses nichtig und nicht mitzuzählen ist. Auf die fehlende Feststellung könnten sich die Beklagten jedenfalls nicht ohne Verstoß gegen Treu und Glauben berufen, da ihnen als Geschäftsführer der Gesellschaft auch die Feststellung des Abstimmungsergebnisses oblag.
Anerkannt ist zudem, dass sich das Stimmverbot auch auf die Bestellung des Prozessvertreters nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbH-Gesetz erstreckt, wenn der Gesellschafter, der die Ersatzansprüche durchgesetzt wissen will, keinem solchen Verbot unterliegt. Daher konnte die Klägerin sich selbst oder einen Dritten zur Vertretung der Gesellschaft im Prozess gegen die Beklagten bestellen.
Unentschieden blieb, ob sich die Klägerin ungeachtet der Entbehrlichkeit einer Beschlussfassung gegen eine mit den Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin gefassten Ablehnungsbeschluss mit einer Anfechtungsklage wehren musste. Denn einer vorherigen Beschlussanfechtung bedurfte es im Streitfall schon mangels verbindlicher Feststellung des Beschlussergebnisses durch die Beklagten gerade nicht.
Demzufolge durfte die Klägerin nicht im Wege der Gesellschafterklage (actio pro socio) die Ansprüche geltend machen. Vielmehr lag die Prozessführungsbefugnis bei der Gesellschaft, sodass die Klage der Klägerin unzulässig war.