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BGH, Urteil vom 07.03.2018 – XII ZR 129/16 – “Wahrung des Schriftformerfordernisses bei mehreren gleichlautenden Urkunden


Dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB kann auch gemäß § 126 Abs. 2 S. 2 BGB entsprochen werden, wonach es genügt, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Mit Urteil vom 07.03.2018 – XII ZR 129/16 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es für die Einhaltung der Schriftform des § 550 S. 1 BGB dann ausreichend ist, wenn die Vertragsparteien gleichlautende Vertragsurkunden unterzeichnen. Eines Zugangs dieser Urkunden beim jeweiligen Vertragspartner bedarf es insoweit nicht.

Der Mieter hatte einen schriftlichen Mietvertragsentwurf gefertigt, diesen unterschrieben und sodann dem Vermieter per Telefax übermittelt. Der Vermieter unterschrieb seinerseits dieses Telefax und faxte es an den Vermieter zurück. Die im Original unterschriebenen Exemplare verblieben bei den jeweiligen Unterzeichnern. Das Oberlandesgericht München hatte gemeint, bei dieser Konstellation sei die gesetzliche Schriftform nicht gewahrt. Denn der Vermieter sei nicht in den Besitz des Vertragsexemplars mit der Originalunterschrift des Mieters gelangt. Dies sei aber aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen erforderlich. Der Bundesgerichtshof sieht das anders. Indem die Vertragsparteien jeweils gleichlautende Vertragsurkunden unterzeichnet haben, sei die Schriftform des § 550 BGB vielmehr unabhängig davon gewahrt, ob diese Vertragsurkunden nach Unterzeichnung in den Herrschaftsbereich der jeweils anderen Vertragspartei gelangt sind. Richtig sei allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB für das Zustandekommen eines Vertrags, der einer gesetzlich vorgesehenen Schriftform genügen muss, nicht erfüllt wären. Ein Vertrag, für den die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben ist, kommt grundsätzlich nur dann rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die Annahme in der Form des § 126 BGB erklärt werden und in dieser Form dem anderen Vertragspartner zugehen (BGH NJW 2015, 2648 Rn. 30). Dies ist hier nicht der Fall. Eine Urkunde, auf der beide Vertragsparteien im Original unterschrieben haben, existiert nicht, sodass § 126 Abs. 2 S. 1 BGB – der die Unterzeichnung auf derselben Urkunde erfordert – nicht genügt ist. Die beiden gleichlautenden, von den Vertragsparteien im Original unterschriebenen Vertragsurkunden sind der jeweils anderen Vertragspartei nicht zugegangen. Vielmehr wurden jeweils nur Telefaxkopien übersandt, was auch für einen der Schriftform des § 126 Abs. 2 S. 2 BGB entsprechenden Vertragsschluss nicht ausreicht. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts München steht jedoch die Übersendung der beiden unterzeichneten gleichlautenden Vertragsurkunden jeweils nur per Telefaxkopie trotz Nichteinhaltung der materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB nicht der Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 550 S. 1 BGB für Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr entgegen. Die von § 550 S. 1 BGB geforderte Schriftform kann nicht nur eingehalten werden, indem die Vertragsparteien dieselbe Urkunde unterzeichnen (§ 126 Abs. 2 S. 1 BGB). Vielmehr besteht zur Erfüllung des Schriftformerfordernisses auch die Möglichkeit des § 126 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach es genügt, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (BGH NJW 2001, 221, 222 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht die Einhaltung der bloßen Schriftlichkeit der Erklärungen (sogenannte äußere Form) zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB aus. Ein Mietvertrag genügt danach auch dann der Schriftform des § 550 BGB, wenn er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des § 126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen nur mündlich oder konkludent abgeschlossen ist. Die Auslegung von § 550 BGB führt unter Berücksichtigung seines Schutzzwecks und seiner Rechtsfolge zu dem Ergebnis, dass § 550 BGB über die Einhaltung der äußeren Form hinaus nicht das Zustandekommen des Vertrags durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen voraussetzt. § 550 BGB dient in erster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers, dem durch die Schriftform die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Diesen Schutzzweck erfüllt selbst eine nur der äußeren Form genügende Mietvertragsurkunde, in der die von beiden Parteien unterzeichneten Bedingungen des erst später konkludent abgeschlossenen Vertrags enthalten sind. Eine solche Urkunde informiert den Erwerber über die Bedingungen des Mietvertrags, in die er, wenn der Mietvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen ist und noch besteht, eintritt. Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 BGB verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen, werden durch die bloße Einhaltung der äußeren Form erfüllt (BGH NJW 2015, 2648 Rn. 33). Mit Blick hierauf ist für die Einhaltung der Schriftform des § 550 S. 1 BGB ausreichend, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Vertragsparteien gleichlautende Vertragsurkunden unterzeichnen. Eines Zugangs dieser Urkunden beim jeweiligen Vertragspartner bedarf es hingegen nicht.

Allerdings verlangt der Wortlaut des § 126 Abs. 2 S. 2 BGB, dass das jeweils unterzeichnete (gleichlautende) Vertragsexemplar für die andere Vertragspartei bestimmt sein muss. Der vom Oberlandesgericht München daraus gezogene Schluss, auch im Rahmen des § 550 S. 1 BGB müssten die gleichlautenden Urkunden in den Besitz des jeweiligen Vertragspartners gelangt sein, ist jedoch nicht zwingend. Denn er lässt unberücksichtigt, dass die Vorschrift des § 126 Abs. 2 BGB den der Schriftform genügenden Vertragsschluss und mithin die Form empfangsbedürftiger Willenserklärungen regelt. Für einen wirksamen Vertragsschluss im Sinne des § 126 Abs. 2 BGB ist der Zugang der schriftlich abgegebenen Willenserklärungen beim Erklärungsempfänger erforderlich, sodass durch das Tatbestandsmerkmal „für die andere Partei bestimmt“ in § 126 Abs. 2 S. 2 BGB die Form der dann auch zugehenden Willenserklärung umschrieben wird. Demgegenüber ist es für die Einhaltung der Schriftform des § 550 S. 1 BGB ohne Bedeutung, ob die beurkundeten Erklärungen den Vertragsparteien zugegangen sind, weil es bereits nicht darauf ankommt, ob es durch sie oder auf andere Weise zum Vertragsschluss gekommen ist. Da es allein auf die äußere Form ankommt, ist nur die Existenz der die vertraglichen Regelungen dokumentierenden und unterzeichneten Urkunde entscheidend. Im Fall des § 126 Abs. 2 S. 1 BGB ist dies eine von allen Vertragsparteien unterschriebene Urkunde, während es nach § 126 Abs. 2 S. 2 BGB 2 gleichlautende, aber jeweils nur von einer Vertragspartei im Original unterzeichnete Urkunden sind. Der Zugang dieser Urkunden ist für das Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB ebenso ohne Belang wie die Frage, wo die Urkunden sich befinden (BGH NJW 2004, 2962, 2963) oder ob sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung der Formgemäßheit des Mietvertrags noch existieren (BGH NJW 2008, 2178 Rn. 23). Der von § 550 BGB verfolgte Schutzzweck wird auch durch zwei gleichlautende Vertragsurkunden erreicht, von denen die eine von der einen und die andere von der anderen Vertragspartei unterzeichnet worden ist, ohne dass diese Urkunden jedoch in den Besitz der jeweils anderen Vertragspartei gelangt sind. Der mit der Beurkundung in erster Linie beabsichtigte Erwerberschutz kann sowohl mittels einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde gewährleistet werden als auch durch zwei gleichlautende Urkunden, die in der Summe die erforderlichen Unterschriften tragen. In beiden Fällen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass der Erwerber Einsicht in die schriftlich niedergelegten vertraglichen Regelungen nimmt, in die er bei Vorliegen eines wirksamen Vertrags eintritt. Zwar mag eine solche Einsichtnahme in der Praxis bei mehreren gleichlautenden, aber jeweils nur von einer Vertragspartei unterzeichneten Urkunden auf größere Schwierigkeiten stoßen als bei nur einer, von allen Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde. Diese Problematik ist bereits darin angelegt, dass der Gesetzgeber zur Wahrung der Schriftform auch den Weg des § 126 Abs. 2 S. 2 BGB eröffnet hat, und besteht im Rahmen des Schriftformerfordernisses nach § 550 S. 1 BGB unabhängig davon, ob die einzelnen Urkunden auch der jeweils anderen Vertragspartei zugegangen sind.