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Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.12.2017 – XII ZR 95/16 Vermieterpfandrecht und Insolvenz des Mieters


Der Bundesgerichtshof befasste sich mit Urteil vom 06.12.2017 – XII ZR 95/16 – mit der Frage, wie es sich mit dem Vermieterpfandrecht hinsichtlich von Fahrzeugen des Mieters verhält, die immer wieder vom vermieteten Grundstück entfernt werden. Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass das Vermieterpfandrecht erlischt, wenn das Fahrzeug für die Durchführung einer Fahrt von dem Mietgrundstück – auch nur vorübergehend – entfernt wird. Es entsteht neu, wenn das Fahrzeug später wieder auf dem Grundstück abgestellt wird. Im Falle der Insolvenz des Mieters ist demnach entscheidend, ob sich Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, die sich minutengenau aus der Insolvenzakte entnehmen lässt, auf dem vermieteten Grundstück befanden.

Der Insolvenzverwalter des Mieters kündigt das Mietverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zum Kündigungsstichtag standen noch Forderungen des Vermieters offen. Der Insolvenzverwalter hat zwei auf dem Betriebsgrundstück vorgefundene Lkw und einen Anhänger verwertet. Der Vermieter verlangt abgesonderte Befriedigung aus dem Erlös im Hinblick auf ein ihm zustehendes Vermieterpfandrecht. Der Bundesgerichtshof kann nicht abschließend entscheiden, weil der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt war. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, das feststellen muss, ob sich die beiden Lkw nebst Anhänger in der Minute der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf dem Betriebsgrundstück befunden haben, denn dies ist entscheidend dafür, ob ein Vermieterpfandrecht und somit ein Absonderungsrecht am durch den Verkauf der Lkw und des Anhängers erzielten Erlös besteht.

Ein bestehendes Vermieterpfandrecht berechtigt den Vermieter in der Insolvenz des Mieters zur abgesonderten Befriedigung aus den Pfandgegenständen (§ 50 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter darf diese Gegenstände infolge seines unmittelbaren Besitzes verwerten (§ 166 Abs. 1 InsO) und hat danach den Gläubiger aus dem Erlös abzüglich Feststellungs- und Verwertungskosten zu befriedigen (§ 170 Abs. 1 InsO). An dem noch unterscheidbar vorhandenen Erlös setzen sich die Rechte des Vermieters fort. Zieht der Insolvenzverwalter den Erlös zur Masse und erlischt dadurch das Absonderungsrecht, so tritt an seine Stelle eine Masseschuld nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO (BGH, Urteil vom 12.07.2001 – IX ZR 374/98). Der Kläger und Vermieter war aufgrund des bestehenden Mietverhältnisses Inhaber eines Vermieterpfandrechts an den eingebrachten Sachen des Mieters (§ 562 Abs. 1 BGB). Dem steht nicht entgegen, dass sich das Vermieterpfandrecht gemäß § 562 Abs. 1 S. 2 BGB nicht auf die Sachen erstreckt, die der Pfändung nicht unterliegen. Der Pfändung nicht unterworfen sind zwar bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände (§ 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Dieser Pfändungsschutz bezieht sich jedoch grundsätzlich nur auf persönlich zu erbringende Arbeitsleistungen, nicht hingegen auf den durch eine Kapitalgesellschaft unter Einsatz von Erwerbsgehilfen zu erzielenden Gewinn (vgl. Zöller/Herget ZPO, § 811 Rn. 25). Zu den Gegenständen, auf die sich das Vermieterpfandrecht erstreckte, gehören grundsätzlich auch die regelmäßig auf dem Mietgrundstück abgestellten Kraftfahrzeuge. Eingebracht sind nämlich alle Sachen, die während der Mietzeit willentlich und wissentlich in die Mieträume oder auf das Mietgrundstück verbracht werden (Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, § 50 Rn. 86; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, Rn. 750). Bei Sachen, die nur vorübergehend in der Absicht alsbaldiger Wiederentfernung eingestellt werden, ist danach zu unterscheiden, ob der vorübergehende Verbleib der bestimmungsgemäßen Nutzung der Mietsache entspricht (Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, § 50 Rn. 86; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 562 Rn. 40). Ein Kraftfahrzeug, das auf dem vermieteten Grundstück geparkt wird, ist dementsprechend eingebracht. Denn seine regelmäßige vorübergehende Einstellung gehört zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Die beiden Lkw und der Anhänger waren nachts jeweils auf dem Betriebsgrundstück bestimmungsgemäß abgestellt.

Die noch vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Forderungen des Vermieters und Klägers waren durch das Vermieterpfandrecht insolvenzfest gesichert, sofern sich die Fahrzeuge und der Anhänger im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 10.04.2013 um 13:20 Uhr auf dem Betriebsgelände befanden, nachdem sie im Anschluss an die letzte Ausfahrt dort wieder eingebracht waren. Wären sie hingegen im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vom Grundstück entfernt gewesen und erst nach der Insolvenzeröffnung wieder eingebracht worden, führte das dadurch neu entstandene Vermieterpfandrecht nur zur Sicherung von Masseschulden des Mieters aus dem nach der Insolvenzeröffnung fortbestehenden (§§ 108, 109 InsO) Mietverhältnis; es sicherte dann nicht die Forderungen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung, die einfache Insolvenzforderungen sind (Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, § 50 Rn. 86 b). Da das Oberlandesgericht keine Feststellungen dazu traf, wo sich die Fahrzeuge und der Anhänger im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung befanden, wurde die Sache zur weiteren Sachverhaltsklärung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof teilt die vom Oberlandesgericht vertretene Auffassung nicht, Feststellungen zur Frage, wo sich die Fahrzeuge und der Anhänger zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung befanden, seien deshalb entbehrlich, weil das Vermieterpfandrecht an den Fahrzeugen nicht erlösche, wenn sie von Mitarbeitern bewegt würden und das Grundstück für Kundenbesuche oder Auslieferungen vorübergehend verließen. Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass das Pfandrecht des Vermieters gemäß § 562 a S. 1 BGB mit der Entfernung der Sachen von dem Grundstück erlischt, außer wenn dies ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters erfolgt. Nach S. 2 der Vorschrift kann der Vermieter nicht widersprechen, wenn die Entfernung den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entspricht oder wenn die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung des Vermieters offenbar ausreichen. Waren die Fahrzeuge und der Anhänger zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung für Zwecke von Kundenbesuchen oder Auslieferungen im Gebrauch, so waren sie in dem Augenblick vom vermieteten Grundstück tatsächlich räumlich entfernt. Dem konnte der Vermieter bis zur Insolvenzeröffnung auch unter Fortsetzung des Geschäftsbetriebs durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht widersprechen, solange die dem Fahrzeug zweckentsprechende Ausfahrt jeweils „den gewöhnlichen Lebensverhältnissen“ entsprach. Bei der Gewerbemiete ist damit eine Entfernung von Sachen im regelmäßigen Geschäftsbetrieb gemeint, auch soweit der vorläufige Insolvenzverwalter ihn fortführt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs führt jede auch nur vorübergehende Entfernung der Sachen zu einem Erlöschen des Vermieterpfandrechts. Bei Wiedereinbringen entsteht das Vermieterpfandrecht neu. Dies ist auch die herrschende Literaturmeinung (etwa Palandt, § 562 a Rn. 4). Zur Begründung dieser Auffassung stellt der Bundesgerichtshof auf den Wortlaut von § 562 a BGB ab. Der Gesetzestext spricht ohne Einschränkung von einer „Entfernung“ und legt damit ein Wort zu Grunde, dem schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kein Zeitmoment innewohnt und das auch keine bestimmten Begleitumstände fordert. Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Entfernung“ enthält der Gesetzeswortlaut somit nicht.