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Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.04.2022 – VIII ZR 219/20 – “Vermieter darf das Mieterhöhungsverlangen ermäßigen“


Die klagende Vermieterin hat mit Schreiben vom 10.10.2018 die Mieter aufgefordert einer Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem 01.01.2019 um EUR 65,68 (was einer Miete von EUR 7,97/m² entsprach) zuzustimmen und zur Begründung wurde auf den Nürnberger Mietspiegel 2018 Bezug genommen. Den Erhöhungsbetrag ermittelte die Klägerin anhand der Wohnfläche, des Baujahrs und bestimmter aus Ihrer Sicht vorhandener positiven Wohnmerkmale. Nachdem die Beklagten nicht zustimmten, wurde Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung erhoben. In dieser Klage begehrte die Klägerin nur noch die Zustimmung zu einer Vergleichsmiete von EUR 7,68/m², nachdem sie in der Klage die positiven Wohnwertmerkmale nicht mehr berücksichtigt haben wollte. Die Klage der Vermieterin hatte in allen drei Instanzen damit auch vor dem Bundesgerichtshof Erfolg.

Zwar handelt es sich bei dem Erhöhungsverlangen um einen Antrag auf Abschluss eines Änderungsvertrages, sodass mit Zustimmung des Mieters eine vertragliche Vereinbarung über die Erhöhung der Miete zustande kommt. Dies würde nach Ansicht der beklagten Mieter dazu führen, dass der Vermieter an sein ursprüngliches Mieterhöhungsverlangen gebunden ist, da er nur in dieser Höhe ein Angebot an die beklagten Mieter unterbreitet habe und falls er von diesem Angebot (wie in der Klage) abrückt, ein neues Angebot unter Berücksichtigung der Formalien eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 558 Abs. 1 BGB unterbreiten müsste.

Dieser Ansicht erteilte Bundesgerichtshof eine Absage. Denn die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB, in welchen Voraussetzungen und die Folgen des Mieterhöhungsverlangens geregelt werden enthalten spezifische Regelungen und sind vorrangig vor den allgemeinen Regeln über den Vertragsabschluss gemäß §§ 145 ff. BGB anzuwenden. So regelt beispielsweise bereits § 558 b Abs. 1 BGB, dass der Mieter dem Erhöhungsverlangen auch teilweise zustimmen kann, was nach den allgemeinen Regelungen der §§ 145 BGB ausgeschlossen wäre. Auch Gerichte können, wenn sie das Verlangen nur teilweise als berechtigt ansehen, der Zustimmungsklage nur in der begründeten Höhe stattgeben. Denn das Verlangen des Vermieters nach Zustimmung zu einer bestimmten Mieterhöhung enthält schon begrifflich auch das Verlangen nach einer betragsmäßig niedrigeren Anhebung der Miete. Der Gesetzgeber hat dem Gesichtspunkt einer einvernehmlichen Beilegung von Streitigkeiten über die Miete im Erhöhungsverfahren sowie in diesem Zusammenhang der Vermeidung unnötiger Prozesse über Mieterhöhungen besondere Bedeutung beigemessen und im Rahmen von verschiedenen Gesetzesänderungen Regelungen, die den Vermieter aus seiner Sicht zu einer verfrühten Klageerhebung bewegen könnten, aufgehoben bzw. geändert. Dieser gesetzgeberischen Zielsetzung würde es widersprächen, wenn der Vermieter daran gehindert wäre mit der Zustimmungsklage einen niedrigeren Betrag geltend zu machen. Auch die Interessen des Mieters stehen dem nicht entgegen, da die teilweise Rücknahme des Erhöhungsverlangens sich grundsätzlich zu seinem Gunsten auswirkt und er dem aus seiner Sicht berechtigten Teil des Mieterhöhungsverlangens zustimmen kann.

Der Bundesgerichtshof erteilt daher zu Recht der formalistischen Auffassung des Mieters eine Absage und bestätigt das Ermäßigungsrecht des Vermieters.