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Kammergerichts, Urteil vom 01.12.2022 – 8 U 50/21 – “Verjährung von Rückforderungsansprüchen aus Nebenkostenabrechnungen


In einem von uns erstrittenen Urteil vom 01.12.2022 (8 U 50/21) hat sich das Kammergericht Berlin mit der Frage befasst, wann der Lauf der Verjährungsfrist in Bezug auf Rückforderungsansprüche aus Nebenkostenabrechnungen beginnt. Der Vermieter rechnete Ende des Jahres 2015 über die Nebenkosten für das Jahr 2014 ab. Der Mieter erhebt hiergegen Einwendungen. Daraufhin storniert der Vermieter im Jahre 2018 die ursprüngliche Nebenkostenabrechnung für 2014 und erstellt eine neue Nebenkostenabrechnung. Der Vermieter berücksichtigte bei der Neuabrechnung aber nur einen kleineren Teil der Einwendungen des Mieters, der deshalb auch gegen die neue Nebenkostenabrechnung Widerspruch einlegt und kurz vor Ablauf des Jahres 2019 Klage auf Rückerstattung von Nebenkostenvorauszahlungen erhebt. Der Vermieter ist der Meinung, die Klageforderung sei auf alle Fälle verjährt, da der Lauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist Ende des Jahres 2015 begonnen habe.

Das Kammergericht entscheidet, dass dem Rückforderungsanspruch für das Jahr 2014 die vom Vermieter erhobene Einrede der Verjährung nicht entgegensteht, weil der Anspruch erst im Jahre 2018 entstanden ist. Die dem Mieter im Jahre 2015 zugegangene Abrechnung für das Jahr 2014 ist schon deshalb nicht maßgebend, weil der Vermieter diese Nebenkostenabrechnung nicht nur korrigiert hat, sondern mit der korrigierten Nebenkostenabrechnung für 2014 die zunächst erteilte Nebenkostenabrechnung stornierte. Der Vermieter kann nach Treu und Glauben keine Rechte aus einer Abrechnung herleiten, die er selbst für wirkungslos erklärt hat – auch wenn die Korrektur einzelner Abrechnungspositionen den Verjährungsbeginn nicht berühren dürfte (dazu LG Berlin, Urteil vom 19.04.2016 – 67 S 25/16 – juris Rn. 8 m.w.N.). Ohne Erfolg wandte der Vermieter zur Verjährungseinrede ein, die Stornierung der Abrechnung sei für die Durchsetzung der behaupteten Ansprüche des Mieters und deshalb für den Verjährungsbeginn nicht relevant, da andernfalls ein Vermieter eine Verjährung von Nachforderungsansprüchen durch Stornierung vorheriger Abrechnungen vermeiden könnte. Eine solche Vorgehensweise des Vermieters scheitert regelmäßig an § 242 BGB und gegebenenfalls an Verwirkung (s. a. BGHZ 113, 188 juris Rn. 20). Der Verjährungseinrede steht nach Auffassung des Kammergerichts auch nicht entgegen, dass der Vermieter behauptete, er sei aus buchhalterischen Gründen gezwungen gewesen, die fehlerhafte ursprüngliche Nebenkostenabrechnung zu stornieren und eine neue Abrechnung zu erteilen. Aus dem Mietvertrag ist der Vermieter wegen einer zuvor fehlerhaften Abrechnung nicht etwa zu einer vollständigen Neuabrechnung verpflichtet, sondern kann sich auch auf eine Nachbesserung der bereits erteilten Abrechnung beschränken (vgl. BGH NJW 1982, 573, 575). Soweit der Vermieter argumentierte, er habe die ursprüngliche Abrechnung aus umsatzsteuerrechtlichen Gründen storniert, ist nach Auffassung des Kammergerichts nicht ersichtlich, dass dies dem Mieter bekannt gewesen wäre oder aus Sicht des Mieters erkennbar gewesen wäre. So durfte und musste der Mieter die Erklärung des Vermieters, die ursprüngliche Abrechnung zu stornieren, dahingehend verstehen, dass der Vermieter hieraus keine Rechte mehr herleiten wolle, §§ 133, 157 BGB.

Sehr interessant ist die Auffassung des Kammergerichts, der Lauf der Verjährungsfrist beginne nicht zwangsläufig mit Zugang einer Nebenkostenabrechnung, weil der streitgegenständliche Rückforderungsanspruch darin nicht ausgewiesen war. Vielmehr komme es gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf an, wann der Mieter Kenntnis von den maßgeblichen Abrechnungsmängeln erlangt hat, auf die der Mieter die Klage stützt, oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Auch der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 20.10.2022, NJW 2023, 358 dargelegt, dass die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, wobei grundsätzlich die Tatsachen- und nicht die Rechtskenntnis maßgebend sei. Erforderlich ist, dass der Gläubiger um die anspruchsbegründenden Umstände weiß und nicht, dass er den Vorgang rechtlich zutreffend beurteilt. In Ausnahmefällen ist jedoch die zutreffende rechtliche Würdigung entscheidend. Demnach kann man durchaus darüber diskutieren, ob bei Rückzahlungsansprüchen aus Nebenkostenabrechnungen der Lauf der Verjährungsfrist erst zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Mieter erfahren hat oder ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, dass die Nebenkostenabrechnung rechtlich unzutreffend war. Allerdings ist dringend davon abzuraten, unkalkulierbare Risiken einzugehen. Deshalb sollten Rückforderungsansprüche innerhalb von drei Jahren ab Zugang der fehlerhaften Nebenkostenabrechnung eingeklagt werden, also der sichere Weg gewählt und davon ausgegangen werden, dass der Lauf der Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die Nebenkostenabrechnung zugegangen ist.