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Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.01.2019 – III ZR 37/18 – “Unwirksamer Kontrahierungszwang in der Teilungserklärung


In einer Teilungserklärung ist bestimmt, wonach alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet sind mit einer Gesellschaft als Betreuerin einen Vertrag über Betreuerleistungen für die Bewohner der altengerechten Wohnanlage abzuschließen, soweit sie die in ihrem Eigentum stehende Wohnung selbst nutzen. Diese Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages entfällt, solange die Wohnung nicht benutzt wird oder vermietet ist. Der am 09.02.2017 verstorbene Rechtsvorgänger des Klägers schloss am 10.12.2012 mit der beklagten Betreuungsgesellschaft einen formularmäßigen Betreuervertrag ab, der monatliche Zahlungen für Betreuungsleistungen vorgesehen hat, wobei in § 4 dieses Vertrages vereinbart ist, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen ist. Darüber hinaus ist dort geregelt, dass während der ersten 2 Jahre der Betreuervertrag nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden kann. Nachdem der Rechtsvorgänger des Klägers schwer pflegebedürftig wurde, erfolgte seine Verlegung in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung, wo er sich im Zeitraum vom 02.10.2015 bis zum 01.02.2016 aufgehalten hat. Mit Schreiben vom 16.10.2015 kündigte er den Betreuervertrag unter Berufung auf einen wichtigen Grund und gab an, die Wohnung seit 5 Monaten nicht mehr zu bewohnen. Die beklagte Betreuungsgesellschaft buchte dennoch vom Konto des Klägers die monatlichen Zahlungen ab. Der Gesundheitszustand des Rechtsvorgängers des Klägers hat sich im Verlauf des Jahres 2016 gebessert und er kehrte in seine Wohnung zurück, die im Betreuervertrag vorgesehene monatliche Betreuungspauschale wurde regelmäßig bezahlt.

Im Rechtsstreit begehrt der Kläger die Rückzahlung der im Zeitraum Oktober 2015 bis Februar 2016 abgebuchten Beträge, nämlich EUR 350,00 für Oktober 2015 sowie für Dezember 2015 bis Februar 2016 jeweils EUR 250,00. Er begründete dies damit, dass aufgrund der Kündigung dieser keine Zahlungen mehr geschuldet hat. Auch wird eingewendet, dass keinerlei Betreuungsleistungen erbracht worden sind. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Beträge für Dezember 2015 bis Februar 2016 in Höhe von EUR 750,00 verurteilt, die Berufung und die Revision gegen diese Verurteilung hatten keinen Erfolg. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 812 Absatz 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Zahlungen für den Zeitraum Dezember 2015 bis Februar 2016, nachdem der Betreuervertrag mit Ablauf des 30.11.2015 beendet wurde.

Die Kündigung vom 26.10.2015 stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar. Diese wäre nur dann regelmäßig treuwidrig, wenn die Gekündigte, hier also die Beklagte, bei Beendigung des Vertrages einen Anspruch auf Neuabschluss hätte. Das ist aber vorliegend nicht der Fall. Denn die Teilungserklärung sieht die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages nur vor, wenn der Eigentümer die Wohnung selbst nutzt. Das hat zur Folge, dass eine Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages entfällt, solange die Wohnung von dem Eigentümer nicht benutzt wird oder vermietet ist. Demnach unterliegt der Eigentümer, der seine Wohnung (auch nur vorübergehend) nicht nutzt, keinem Kontrahierungszwang. Zudem greift ein Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit gemäß § 242 BGB auch deshalb nicht ein, weil ein Kontrahierungszwang der Wohnungseigentümer zum Abschluss eines Betreuungsvertrages mit einer Laufzeit von mehr als 2 Jahren durch den teilenden Eigentümer in der Teilungserklärung nicht wirksam angeordnet werden kann. Die einseitige Vorgabe einer dauerhaften, mehr als 2-jährigen Bindung an ein bestimmtes Betreuungsunternehmen ohne die Möglichkeit, Einzelheiten auszuhandeln, beschneidet nämlich in nicht mehr hinnehmbarer Weise die rechtliche Stellung der Wohnungseigentümer sowie ihre Entscheidungsfreiheit und stelle eine unangemessene Benachteiligung dar. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass dies auch dann gilt, wenn Wohnungen in der Anlage nur zum Zwecke des betreuten Wohnens genutzt werden dürfen. Das Gesetz enthalte für den Bereich des betreuten Wohnens keine Sonderregelung. Könnte der teilende Eigentümer (Bauträger) diejenigen Wohnungseigentümer, welche die Wohnung selbst nutzen, über viele Jahre hinweg an ein bestimmtes Betreuungsunternehmen binden, wäre dies eine unangemessene Benachteiligung, die der einzelne Eigentümer auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht hinnehmen muss. Hierin läge eine erhebliche Verschlechterung seiner Rechtsstellung. Auch wird dem anerkennenswerten Interesse des Betreuungsunternehmens, eine stetige Grundbetreuung und angemessene Finanzierbarkeit des Gesamtkonzeptes zu gewährleisten durch eine 2-jährige Vertragsbindung unter Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung hinreichend Rechnung getragen. Nachdem weder aus dem Vertrag noch der Teilungserklärung sich damit ein wirksame Beschränkung des Kündigungsrechtes ergeben haben, war die Verurteilung zur Rückzahlung zu Recht erfolgt.